im unendlichen Meere ihre kleinen Inseln; aber der wühlende Mensch wendet sich nicht um und sieht nicht, daß ihm alles ähnlich ist.
Sebastian verließ sein hölzernes Hotel, sein Ge¬ rippe von einem Frankfurthischen rothen Hause, trunkner und glücklicher als er aus einem ausgemau¬ erten hätte gehen können. In gewissen Menschen breitet sich eine dunkle Wehmuth, ein desto größerer Seelen-Schatten aus, wenn die Schatten außer ih¬ nen am kleinsten sind, ich meine um 1 Uhr Nach¬ mittags im Sommer. Wenn Nachmittags unter der brütenden Sonne Wiesen stärker duftend und welkend Wälder sanfter brausend und ruhend daste¬ hen und die Vögel darin als stumme Figuranten sitzen; dann umfaßte im Eden, woüber schwül das Blütengewölke auflag, eine sehnsüchtige Beklommen¬ heit sein Herz -- dann wurd' er von seinen Phantasien unter den ewigblauen Himmel des Mor¬ genlandes und unter die Weinpalmen Hindostans hin verweht -- dann ruhte er in jenen stillen Län¬ dern aus, wo er ohne stechende Bedürfnisse und ohne sengende Leidenschaften auseinanderfloß in die träu¬ mende Ruhe des Braminen und wo die Seele sich in ihrer Erhebung festhält und nicht mehr zittert mit der zitternden Erde, gleich den Fixsternen, deren Schimmer nicht zittert auf Bergen angeschauet -- dann war er zu glücklich für einen deutschen Koloni¬
Hesperus. I. Th. P
im unendlichen Meere ihre kleinen Inſeln; aber der wuͤhlende Menſch wendet ſich nicht um und ſieht nicht, daß ihm alles aͤhnlich iſt.
Sebaſtian verließ ſein hoͤlzernes Hotel, ſein Ge¬ rippe von einem Frankfurthiſchen rothen Hauſe, trunkner und gluͤcklicher als er aus einem ausgemau¬ erten haͤtte gehen koͤnnen. In gewiſſen Menſchen breitet ſich eine dunkle Wehmuth, ein deſto groͤßerer Seelen-Schatten aus, wenn die Schatten außer ih¬ nen am kleinſten ſind, ich meine um 1 Uhr Nach¬ mittags im Sommer. Wenn Nachmittags unter der bruͤtenden Sonne Wieſen ſtaͤrker duftend und welkend Waͤlder ſanfter brauſend und ruhend daſte¬ hen und die Voͤgel darin als ſtumme Figuranten ſitzen; dann umfaßte im Eden, wouͤber ſchwuͤl das Bluͤtengewoͤlke auflag, eine ſehnſuͤchtige Beklommen¬ heit ſein Herz — dann wurd' er von ſeinen Phantaſien unter den ewigblauen Himmel des Mor¬ genlandes und unter die Weinpalmen Hindoſtans hin verweht — dann ruhte er in jenen ſtillen Laͤn¬ dern aus, wo er ohne ſtechende Beduͤrfniſſe und ohne ſengende Leidenſchaften auseinanderfloß in die traͤu¬ mende Ruhe des Braminen und wo die Seele ſich in ihrer Erhebung feſthaͤlt und nicht mehr zittert mit der zitternden Erde, gleich den Fixſternen, deren Schimmer nicht zittert auf Bergen angeſchauet — dann war er zu gluͤcklich fuͤr einen deutſchen Koloni¬
Heſperus. I. Th. P
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im unendlichen Meere ihre kleinen Inſeln; aber der
wuͤhlende Menſch wendet ſich nicht um und ſieht
nicht, daß ihm alles aͤhnlich iſt.
Sebaſtian verließ ſein hoͤlzernes Hotel, ſein Ge¬
rippe von einem Frankfurthiſchen rothen Hauſe,
trunkner und gluͤcklicher als er aus einem ausgemau¬
erten haͤtte gehen koͤnnen. In gewiſſen Menſchen
breitet ſich eine dunkle Wehmuth, ein deſto groͤßerer
Seelen-Schatten aus, wenn die Schatten außer ih¬
nen am kleinſten ſind, ich meine um 1 Uhr Nach¬
mittags im Sommer. Wenn Nachmittags unter
der bruͤtenden Sonne Wieſen ſtaͤrker duftend und
welkend Waͤlder ſanfter brauſend und ruhend daſte¬
hen und die Voͤgel darin als ſtumme Figuranten
ſitzen; dann umfaßte im Eden, wouͤber ſchwuͤl das
Bluͤtengewoͤlke auflag, eine ſehnſuͤchtige Beklommen¬
heit ſein Herz — dann wurd' er von ſeinen
Phantaſien unter den ewigblauen Himmel des Mor¬
genlandes und unter die Weinpalmen Hindoſtans
hin verweht — dann ruhte er in jenen ſtillen Laͤn¬
dern aus, wo er ohne ſtechende Beduͤrfniſſe und ohne
ſengende Leidenſchaften auseinanderfloß in die traͤu¬
mende Ruhe des Braminen und wo die Seele ſich
in ihrer Erhebung feſthaͤlt und nicht mehr zittert
mit der zitternden Erde, gleich den Fixſternen, deren
Schimmer nicht zittert auf Bergen angeſchauet —
dann war er zu gluͤcklich fuͤr einen deutſchen Koloni¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/236>, abgerufen am 27.11.2024.
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