Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

So bald aber der Nutzen von Verträgen aufhört:
so ist ein Regent befugt, deren zweyerlei zu bre¬
chen -- die mit andern Regenten, die mit seinen
eignen Landes-Stiefkindern.

Als ich noch im Kabinet arbeitete (schon um 6
Uhr mit dem Flederwisch, die Sessionstische abzu¬
stäuben, nicht mit der Feder,) hatt' ich ein gescheu¬
tes fliegendes Blat unter der letztern, worin ich die
Traktaten-Ouvertüre: au nom de la Sainte Trinite
tis
für die Chiffre ausgeben wollte, die die Gesand¬
ten über ihre Berichte zum Zeichen setzen, daß man
das Gegentheil zu verstehen habe -- es wurd' aber
nichts aus dem fliegenden Blatt als ein -- Manu¬
script. In diesem war ich so dumm und wollte den
Fürsten erst rathen, von Noth-Lügen und Noth-
Wahrheiten der Traktaten müsten sie in jeder Brei¬
te und Stunde dekliniren und inkliniren; ich
wollte die Staatskanzleien in einen Winkel zu mir
heranpfeifen und ihnen in die Ohren sagen: ich
würd' es, und hätt' ich nur neun Regimenter in
Gold und Hunger, nicht thun und mir nicht mit
dem Wachs und Siegellak der Verträge Hände und
Füsse zusammenpichen und mit der Dinte die Flü¬
gel verkleben lassen; das wollt' ich in die Staats¬
praxis erst einführen -- aber die Staatskanzleyen
lachten mich von weitem in meinem närrischen

Winkel

So bald aber der Nutzen von Vertraͤgen aufhoͤrt:
ſo iſt ein Regent befugt, deren zweyerlei zu bre¬
chen — die mit andern Regenten, die mit ſeinen
eignen Landes-Stiefkindern.

Als ich noch im Kabinet arbeitete (ſchon um 6
Uhr mit dem Flederwiſch, die Seſſionstiſche abzu¬
ſtaͤuben, nicht mit der Feder,) hatt' ich ein geſcheu¬
tes fliegendes Blat unter der letztern, worin ich die
Traktaten-Ouvertuͤre: au nom de la Sainte Trinité
tis
fuͤr die Chiffre ausgeben wollte, die die Geſand¬
ten uͤber ihre Berichte zum Zeichen ſetzen, daß man
das Gegentheil zu verſtehen habe — es wurd' aber
nichts aus dem fliegenden Blatt als ein — Manu¬
ſcript. In dieſem war ich ſo dumm und wollte den
Fuͤrſten erſt rathen, von Noth-Luͤgen und Noth-
Wahrheiten der Traktaten muͤſten ſie in jeder Brei¬
te und Stunde dekliniren und inkliniren; ich
wollte die Staatskanzleien in einen Winkel zu mir
heranpfeifen und ihnen in die Ohren ſagen: ich
wuͤrd' es, und haͤtt' ich nur neun Regimenter in
Gold und Hunger, nicht thun und mir nicht mit
dem Wachs und Siegellak der Vertraͤge Haͤnde und
Fuͤſſe zuſammenpichen und mit der Dinte die Fluͤ¬
gel verkleben laſſen; das wollt' ich in die Staats¬
praxis erſt einfuͤhren — aber die Staatskanzleyen
lachten mich von weitem in meinem naͤrriſchen

Winkel
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0219" n="208"/>
        <p>So bald aber der Nutzen von Vertra&#x0364;gen aufho&#x0364;rt:<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t ein Regent befugt, deren zweyerlei zu bre¬<lb/>
chen &#x2014; die mit andern Regenten, die mit &#x017F;einen<lb/>
eignen Landes-Stiefkindern.</p><lb/>
        <p>Als ich noch im Kabinet arbeitete (&#x017F;chon um 6<lb/>
Uhr mit dem Flederwi&#x017F;ch, die Se&#x017F;&#x017F;ionsti&#x017F;che abzu¬<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;uben, nicht mit der Feder,) hatt' ich ein ge&#x017F;cheu¬<lb/>
tes fliegendes Blat unter der letztern, worin ich die<lb/>
Traktaten-Ouvertu&#x0364;re: <hi rendition="#aq">au nom de la Sainte Trinité<lb/>
tis</hi> fu&#x0364;r <hi rendition="#g">die</hi> Chiffre ausgeben wollte, die die Ge&#x017F;and¬<lb/>
ten u&#x0364;ber ihre Berichte zum Zeichen &#x017F;etzen, daß man<lb/>
das Gegentheil zu ver&#x017F;tehen habe &#x2014; es wurd' aber<lb/>
nichts aus dem fliegenden Blatt als ein &#x2014; Manu¬<lb/>
&#x017F;cript. In die&#x017F;em war ich &#x017F;o dumm und wollte den<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten er&#x017F;t rathen, von <hi rendition="#g">Noth</hi>-Lu&#x0364;gen und <hi rendition="#g">Noth</hi>-<lb/>
Wahrheiten der Traktaten mu&#x0364;&#x017F;ten &#x017F;ie in jeder Brei¬<lb/>
te und Stunde <hi rendition="#g">dekliniren</hi> und <hi rendition="#g">inkliniren</hi>; ich<lb/>
wollte die Staatskanzleien in einen Winkel zu mir<lb/>
heranpfeifen und ihnen in die Ohren &#x017F;agen: ich<lb/>
wu&#x0364;rd' es, und ha&#x0364;tt' ich nur neun Regimenter in<lb/>
Gold und Hunger, nicht thun und mir nicht mit<lb/>
dem Wachs und Siegellak der Vertra&#x0364;ge Ha&#x0364;nde und<lb/>
Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zu&#x017F;ammenpichen und mit der Dinte die Flu&#x0364;¬<lb/>
gel verkleben la&#x017F;&#x017F;en; das wollt' ich in die Staats¬<lb/>
praxis er&#x017F;t einfu&#x0364;hren &#x2014; aber die Staatskanzleyen<lb/>
lachten mich von weitem in meinem na&#x0364;rri&#x017F;chen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Winkel<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[208/0219] So bald aber der Nutzen von Vertraͤgen aufhoͤrt: ſo iſt ein Regent befugt, deren zweyerlei zu bre¬ chen — die mit andern Regenten, die mit ſeinen eignen Landes-Stiefkindern. Als ich noch im Kabinet arbeitete (ſchon um 6 Uhr mit dem Flederwiſch, die Seſſionstiſche abzu¬ ſtaͤuben, nicht mit der Feder,) hatt' ich ein geſcheu¬ tes fliegendes Blat unter der letztern, worin ich die Traktaten-Ouvertuͤre: au nom de la Sainte Trinité tis fuͤr die Chiffre ausgeben wollte, die die Geſand¬ ten uͤber ihre Berichte zum Zeichen ſetzen, daß man das Gegentheil zu verſtehen habe — es wurd' aber nichts aus dem fliegenden Blatt als ein — Manu¬ ſcript. In dieſem war ich ſo dumm und wollte den Fuͤrſten erſt rathen, von Noth-Luͤgen und Noth- Wahrheiten der Traktaten muͤſten ſie in jeder Brei¬ te und Stunde dekliniren und inkliniren; ich wollte die Staatskanzleien in einen Winkel zu mir heranpfeifen und ihnen in die Ohren ſagen: ich wuͤrd' es, und haͤtt' ich nur neun Regimenter in Gold und Hunger, nicht thun und mir nicht mit dem Wachs und Siegellak der Vertraͤge Haͤnde und Fuͤſſe zuſammenpichen und mit der Dinte die Fluͤ¬ gel verkleben laſſen; das wollt' ich in die Staats¬ praxis erſt einfuͤhren — aber die Staatskanzleyen lachten mich von weitem in meinem naͤrriſchen Winkel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/219
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/219>, abgerufen am 25.11.2024.