gen Eheherrn mit Vergnügen wieder zu. Es ist vielleicht dieselbe Grösse, womit die Römer den grösten Königen ihre Reiche wegnahmen, um sie nachher damit wieder zu beschenken.
Da Fürsten nicht wie die Juristen böse Christen, sondern gar keine sind: so nahm Jenner unsern Vik¬ tor durch verschiedene Funken von Religion und durch einigen Haß gegen die Enzyklopädisten ein; wiewohl die Religion zwar ihr Gutes aber auch ihr schlimmes hat, weil nur ein gekrönter Atheist, aber kein Theist das unschätzbare privilegium de non ap¬ pellando besitzt.
Das Gespräch war gleichgültig und leer wie alle in solchen Lagen. Ueberhaupt verdienen die Men¬ schen für ihre Gespräche stumm zu seyn; ihre Ge¬ danken sind allezeit besser als ihre Dialogen, und es ist Schade, daß man an gute Köpfe keinen Ba¬ rometrographen oder kein Setzklavier appliciren kann, das aussen alles nachschreibe was innen gedacht wür¬ de. Ich wollte wetten, jeder grosse Kopf geht mit einer ganzen Bibliothek ungedruckter Gedanken in die Erde und blos einige wenige Repositorien voll lässet er in den Druck auslaufen.
Viktor stellte an ihn das gewöhnliche medicini¬ sche Interrogatorium, nicht blos als Leibarzt, son¬ dern auch als Mensch, um ihn zu lieben. Obgleich Leute aus der grossen und grösten Welt wie der Un¬
gen Eheherrn mit Vergnuͤgen wieder zu. Es iſt vielleicht dieſelbe Groͤſſe, womit die Roͤmer den groͤſten Koͤnigen ihre Reiche wegnahmen, um ſie nachher damit wieder zu beſchenken.
Da Fuͤrſten nicht wie die Juriſten boͤſe Chriſten, ſondern gar keine ſind: ſo nahm Jenner unſern Vik¬ tor durch verſchiedene Funken von Religion und durch einigen Haß gegen die Enzyklopaͤdiſten ein; wiewohl die Religion zwar ihr Gutes aber auch ihr ſchlimmes hat, weil nur ein gekroͤnter Atheiſt, aber kein Theiſt das unſchaͤtzbare privilegium de non ap¬ pellando beſitzt.
Das Geſpraͤch war gleichguͤltig und leer wie alle in ſolchen Lagen. Ueberhaupt verdienen die Men¬ ſchen fuͤr ihre Geſpraͤche ſtumm zu ſeyn; ihre Ge¬ danken ſind allezeit beſſer als ihre Dialogen, und es iſt Schade, daß man an gute Koͤpfe keinen Ba¬ rometrographen oder kein Setzklavier appliciren kann, das auſſen alles nachſchreibe was innen gedacht wuͤr¬ de. Ich wollte wetten, jeder groſſe Kopf geht mit einer ganzen Bibliothek ungedruckter Gedanken in die Erde und blos einige wenige Repoſitorien voll laͤſſet er in den Druck auslaufen.
Viktor ſtellte an ihn das gewoͤhnliche medicini¬ ſche Interrogatorium, nicht blos als Leibarzt, ſon¬ dern auch als Menſch, um ihn zu lieben. Obgleich Leute aus der groſſen und groͤſten Welt wie der Un¬
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gen Eheherrn mit Vergnuͤgen wieder zu. Es iſt
vielleicht dieſelbe Groͤſſe, womit die Roͤmer den
groͤſten Koͤnigen ihre Reiche wegnahmen, um ſie
nachher damit wieder zu beſchenken.
Da Fuͤrſten nicht wie die Juriſten boͤſe Chriſten,
ſondern gar keine ſind: ſo nahm Jenner unſern Vik¬
tor durch verſchiedene Funken von Religion und
durch einigen Haß gegen die Enzyklopaͤdiſten ein;
wiewohl die Religion zwar ihr Gutes aber auch ihr
ſchlimmes hat, weil nur ein gekroͤnter Atheiſt, aber
kein Theiſt das unſchaͤtzbare privilegium de non ap¬
pellando beſitzt.
Das Geſpraͤch war gleichguͤltig und leer wie alle
in ſolchen Lagen. Ueberhaupt verdienen die Men¬
ſchen fuͤr ihre Geſpraͤche ſtumm zu ſeyn; ihre Ge¬
danken ſind allezeit beſſer als ihre Dialogen, und
es iſt Schade, daß man an gute Koͤpfe keinen Ba¬
rometrographen oder kein Setzklavier appliciren kann,
das auſſen alles nachſchreibe was innen gedacht wuͤr¬
de. Ich wollte wetten, jeder groſſe Kopf geht mit
einer ganzen Bibliothek ungedruckter Gedanken in
die Erde und blos einige wenige Repoſitorien voll
laͤſſet er in den Druck auslaufen.
Viktor ſtellte an ihn das gewoͤhnliche medicini¬
ſche Interrogatorium, nicht blos als Leibarzt, ſon¬
dern auch als Menſch, um ihn zu lieben. Obgleich
Leute aus der groſſen und groͤſten Welt wie der Un¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/214>, abgerufen am 25.11.2024.
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