gebröckelten Arsenik verreckte Maus. Eine Leserin, die in ähnlichen Gefahren als Dulderin litt, stellet sichs vor, wie der Kammerherrin war, als sie mit dem Harten etwas Weiches umgrif und hervorbrachte und dann ersah was es war. Eine wahre Ohn¬ macht war unvermeidlich. Ich gesteh' es, ich würde selber ihre Ohnmacht blos für eine verstellte halten, wäre der Anlaß geringer und z. B. der Angrif nicht auf ihre Sinne sondern nur auf ihre Ehre gewesen; aber etwas anders ist eine Maus. -- Ueberhaupt mußte sie vor so boßhaften Zuschauern, wie ihr Mann und ihr Zizisbeo ist, diesen fünften Akts- Mord längst von ihrem Theater wie vom gallischen verbannt haben; ja ich glaube, sie hätte sich vor ei¬ nem siegenden Feind ihrer Tugend durch nichts (eine wahre Ohnmacht ausgenommen) so lächerlich machen können als durch eine scheinbare. Der Schrecken über den postiche-Tod beraubte den Evangelisten des Gebrauchs seiner Vernunft und ließ ihm nur den Gebrauch seiner Bosheit und seiner Hände, mit denen er sogleich das Surrogat und Sparwerk ihres Busens, kurz die ganze optische Brust zerriß, um der wahren, in deren Brette er einen Stein hatte, nämlich ihr Herz, Luft genug zu machen. Aber Viktor drängte ihn weg und spritzte sie, mit zärte¬ rer Achtung für ihre Reize und für ihr Leben, durch wenige Eistropfen wieder empor. Gleichwohl vergab
gebroͤckelten Arſenik verreckte Maus. Eine Leſerin, die in aͤhnlichen Gefahren als Dulderin litt, ſtellet ſichs vor, wie der Kammerherrin war, als ſie mit dem Harten etwas Weiches umgrif und hervorbrachte und dann erſah was es war. Eine wahre Ohn¬ macht war unvermeidlich. Ich geſteh' es, ich wuͤrde ſelber ihre Ohnmacht blos fuͤr eine verſtellte halten, waͤre der Anlaß geringer und z. B. der Angrif nicht auf ihre Sinne ſondern nur auf ihre Ehre geweſen; aber etwas anders iſt eine Maus. — Ueberhaupt mußte ſie vor ſo boßhaften Zuſchauern, wie ihr Mann und ihr Zizisbeo iſt, dieſen fuͤnften Akts- Mord laͤngſt von ihrem Theater wie vom galliſchen verbannt haben; ja ich glaube, ſie haͤtte ſich vor ei¬ nem ſiegenden Feind ihrer Tugend durch nichts (eine wahre Ohnmacht ausgenommen) ſo laͤcherlich machen koͤnnen als durch eine ſcheinbare. Der Schrecken uͤber den postiche-Tod beraubte den Evangeliſten des Gebrauchs ſeiner Vernunft und ließ ihm nur den Gebrauch ſeiner Bosheit und ſeiner Haͤnde, mit denen er ſogleich das Surrogat und Sparwerk ihres Buſens, kurz die ganze optiſche Bruſt zerriß, um der wahren, in deren Brette er einen Stein hatte, naͤmlich ihr Herz, Luft genug zu machen. Aber Viktor draͤngte ihn weg und ſpritzte ſie, mit zaͤrte¬ rer Achtung fuͤr ihre Reize und fuͤr ihr Leben, durch wenige Eistropfen wieder empor. Gleichwohl vergab
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gebroͤckelten Arſenik verreckte Maus. Eine Leſerin,
die in aͤhnlichen Gefahren als Dulderin litt, ſtellet
ſichs vor, wie der Kammerherrin war, als ſie mit
dem Harten etwas Weiches umgrif und hervorbrachte
und dann erſah was es war. Eine wahre Ohn¬
macht war unvermeidlich. Ich geſteh' es, ich wuͤrde
ſelber ihre Ohnmacht blos fuͤr eine verſtellte halten,
waͤre der Anlaß geringer und z. B. der Angrif nicht
auf ihre Sinne ſondern nur auf ihre Ehre geweſen;
aber etwas anders iſt eine Maus. — Ueberhaupt
mußte ſie vor ſo boßhaften Zuſchauern, wie ihr
Mann und ihr Zizisbeo iſt, dieſen fuͤnften Akts-
Mord laͤngſt von ihrem Theater wie vom galliſchen
verbannt haben; ja ich glaube, ſie haͤtte ſich vor ei¬
nem ſiegenden Feind ihrer Tugend durch nichts (eine
wahre Ohnmacht ausgenommen) ſo laͤcherlich machen
koͤnnen als durch eine ſcheinbare. Der Schrecken
uͤber den postiche-Tod beraubte den Evangeliſten
des Gebrauchs ſeiner Vernunft und ließ ihm nur
den Gebrauch ſeiner Bosheit und ſeiner Haͤnde, mit
denen er ſogleich das Surrogat und Sparwerk ihres
Buſens, kurz die ganze optiſche Bruſt zerriß, um
der wahren, in deren Brette er einen Stein hatte,
naͤmlich ihr Herz, Luft genug zu machen. Aber
Viktor draͤngte ihn weg und ſpritzte ſie, mit zaͤrte¬
rer Achtung fuͤr ihre Reize und fuͤr ihr Leben, durch
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/194>, abgerufen am 24.11.2024.
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