tagen, mit weißen Blüten, die dem Lenze allmählig wie Schmetterlingsflügel ausfielen; -- Viktor hatte den Besuch Le Bauts verschoben, weil er dachte: "ich muß ohnehin bald genug vom weichen Schooße "der Natur herunter und auf das Hof-Drathgestell "hinauf und auf den Objektenträger (Thron) "des Kurial-Mikroskops;" -- er hatte sich zwar täglich zugeredet, bald noch vor Klotildens Ankunft hinzugehen, um auf seine Absichten keinen Verdacht zu laden, aber immer vergeblich -- -- als plötzlich (denn Tags vorher war der 13te Jul.) der 14te er¬ schien und mit ihm Klotildens Gepäck ohne sie. Nun passirte er (wie die offiziellen Hundsberichte enthalten) wirklich am 15ten den Bach von St. Lüne und ging über die Alpen der kammerherrlichen Treppen und schlug auf Le Bauts Kanapee sein Zä¬ fars Lager. Er wußte, das heute niemand da war, nicht einmal Matz.
"Der Himmel erhalt' uns (sagt' er) die Höflich¬ keit gesund: es wäre ohne sie nicht nur unter kei¬ "nen Spitzbuben auszuhalten, sondern sie giebt auch "Minutensteuer von Freuden, indeß die Wohlthätig¬ "keit nur Quartalsteuer und Kammerzieler und Cha¬ "ritativsubsidien zahlt." Herr und Frau Le Baut waren so höflich als nie (ich schwöre darauf sie hat¬ ten etwas von Viktors Hof Doktorhut und Doktor¬ krone ausgewittert): nur wusten sie nicht, was für
tagen, mit weißen Bluͤten, die dem Lenze allmaͤhlig wie Schmetterlingsfluͤgel ausfielen; — Viktor hatte den Beſuch Le Bauts verſchoben, weil er dachte: »ich muß ohnehin bald genug vom weichen Schooße »der Natur herunter und auf das Hof-Drathgeſtell »hinauf und auf den Objektentraͤger (Thron) »des Kurial-Mikroſkops;« — er hatte ſich zwar taͤglich zugeredet, bald noch vor Klotildens Ankunft hinzugehen, um auf ſeine Abſichten keinen Verdacht zu laden, aber immer vergeblich — — als ploͤtzlich (denn Tags vorher war der 13te Jul.) der 14te er¬ ſchien und mit ihm Klotildens Gepaͤck ohne ſie. Nun paſſirte er (wie die offiziellen Hundsberichte enthalten) wirklich am 15ten den Bach von St. Luͤne und ging uͤber die Alpen der kammerherrlichen Treppen und ſchlug auf Le Bauts Kanapee ſein Zaͤ¬ fars Lager. Er wußte, das heute niemand da war, nicht einmal Matz.
»Der Himmel erhalt' uns (ſagt' er) die Hoͤflich¬ keit geſund: es waͤre ohne ſie nicht nur unter kei¬ »nen Spitzbuben auszuhalten, ſondern ſie giebt auch »Minutenſteuer von Freuden, indeß die Wohlthaͤtig¬ »keit nur Quartalſteuer und Kammerzieler und Cha¬ »ritativſubſidien zahlt.« Herr und Frau Le Baut waren ſo hoͤflich als nie (ich ſchwoͤre darauf ſie hat¬ ten etwas von Viktors Hof Doktorhut und Doktor¬ krone ausgewittert): nur wuſten ſie nicht, was fuͤr
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0186"n="175"/>
tagen, mit weißen Bluͤten, die dem Lenze allmaͤhlig<lb/>
wie Schmetterlingsfluͤgel ausfielen; — Viktor hatte<lb/>
den Beſuch Le Bauts verſchoben, weil er dachte:<lb/>
»ich muß ohnehin bald genug vom weichen Schooße<lb/>
»der Natur herunter und auf das Hof-Drathgeſtell<lb/>
»hinauf und auf den <hirendition="#g">Objektentraͤger</hi> (Thron)<lb/>
»des Kurial-Mikroſkops;« — er hatte ſich zwar<lb/>
taͤglich zugeredet, bald noch <hirendition="#g">vor</hi> Klotildens Ankunft<lb/>
hinzugehen, um auf ſeine Abſichten keinen Verdacht<lb/>
zu laden, aber immer vergeblich —— als ploͤtzlich<lb/>
(denn Tags vorher war der 13te Jul.) der 14te er¬<lb/>ſchien und mit ihm Klotildens Gepaͤck ohne ſie.<lb/>
Nun paſſirte er (wie die offiziellen Hundsberichte<lb/>
enthalten) wirklich am 15ten den Bach von St.<lb/>
Luͤne und ging uͤber die Alpen der kammerherrlichen<lb/>
Treppen und ſchlug auf Le Bauts Kanapee ſein Zaͤ¬<lb/>
fars Lager. Er wußte, das heute niemand da war,<lb/>
nicht einmal Matz.</p><lb/><p>»Der Himmel erhalt' uns (ſagt' er) die Hoͤflich¬<lb/>
keit geſund: es waͤre ohne ſie nicht nur unter kei¬<lb/>
»nen Spitzbuben auszuhalten, ſondern ſie giebt auch<lb/>
»Minutenſteuer von Freuden, indeß die Wohlthaͤtig¬<lb/>
»keit nur Quartalſteuer und Kammerzieler und Cha¬<lb/>
»ritativſubſidien zahlt.« Herr und Frau Le Baut<lb/>
waren ſo hoͤflich als nie (ich ſchwoͤre darauf ſie hat¬<lb/>
ten etwas von Viktors Hof Doktorhut und Doktor¬<lb/>
krone ausgewittert): nur wuſten ſie nicht, was fuͤr<lb/></p></div></body></text></TEI>
[175/0186]
tagen, mit weißen Bluͤten, die dem Lenze allmaͤhlig
wie Schmetterlingsfluͤgel ausfielen; — Viktor hatte
den Beſuch Le Bauts verſchoben, weil er dachte:
»ich muß ohnehin bald genug vom weichen Schooße
»der Natur herunter und auf das Hof-Drathgeſtell
»hinauf und auf den Objektentraͤger (Thron)
»des Kurial-Mikroſkops;« — er hatte ſich zwar
taͤglich zugeredet, bald noch vor Klotildens Ankunft
hinzugehen, um auf ſeine Abſichten keinen Verdacht
zu laden, aber immer vergeblich — — als ploͤtzlich
(denn Tags vorher war der 13te Jul.) der 14te er¬
ſchien und mit ihm Klotildens Gepaͤck ohne ſie.
Nun paſſirte er (wie die offiziellen Hundsberichte
enthalten) wirklich am 15ten den Bach von St.
Luͤne und ging uͤber die Alpen der kammerherrlichen
Treppen und ſchlug auf Le Bauts Kanapee ſein Zaͤ¬
fars Lager. Er wußte, das heute niemand da war,
nicht einmal Matz.
»Der Himmel erhalt' uns (ſagt' er) die Hoͤflich¬
keit geſund: es waͤre ohne ſie nicht nur unter kei¬
»nen Spitzbuben auszuhalten, ſondern ſie giebt auch
»Minutenſteuer von Freuden, indeß die Wohlthaͤtig¬
»keit nur Quartalſteuer und Kammerzieler und Cha¬
»ritativſubſidien zahlt.« Herr und Frau Le Baut
waren ſo hoͤflich als nie (ich ſchwoͤre darauf ſie hat¬
ten etwas von Viktors Hof Doktorhut und Doktor¬
krone ausgewittert): nur wuſten ſie nicht, was fuͤr
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/186>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.