Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

gleich nach der Frühlings- Tag- und Nachtgleiche
oder in den Nachsommer.

Bei Viktor war das erstere, gerade mitten im
Frühling. Ich brauch' es nicht auszumitteln ob der
Körper, das Wetter oder wer diesen Gottesfrie¬
den
in unserer Brust einläute: sondern schreiben
soll ichs, wie sie aussehen, die Sabbathswochen.
So: in einer stillen oder Sabbathswoche (manche,
z. B. ich, werden gar nur mit Sabbathstagen oder
Stunden abgefertigt) schlummert man erstlich leicht
wie auf gewiegten Wolken -- man erwacht wie ein
heiterer Tag -- man hatte sich Abends vorher ge¬
wiß vorgenommen und es deswegen in Ehiffern an
die Thüre geschrieben, sich zu bessern und das Jäte¬
messer alle Tage wenigstens an ein Unkraut-Beet
anzusetzen -- beim Erwachen will mans noch und
setzet es wirklich durch -- Die Galle, dieser auf¬
brausende Spiritus, der sonst, wenn er statt in den
Zwölffingerdarm in das Herz oder Herzblut gegossen
wird, mit Wolken aufsiedet und zischt, wird in we¬
nig Sekunden eingesogen oder niedergeschlagen und
der erhöhte Geist fühlt ruhig das körperliche
Aufwallen
ohne seines -- In dieser Windstille un¬
serer Lungenflügel spricht man nur sanfte, leise Wor¬
te, man fasset liebend die Hand eines jeden, mit
dem man spricht und man denkt mit zerfließendem
Herzen: ach ich gönnte euchs allen wohl, wenn ihr

gleich nach der Fruͤhlings- Tag- und Nachtgleiche
oder in den Nachſommer.

Bei Viktor war das erſtere, gerade mitten im
Fruͤhling. Ich brauch' es nicht auszumitteln ob der
Koͤrper, das Wetter oder wer dieſen Gottesfrie¬
den
in unſerer Bruſt einlaͤute: ſondern ſchreiben
ſoll ichs, wie ſie ausſehen, die Sabbathswochen.
So: in einer ſtillen oder Sabbathswoche (manche,
z. B. ich, werden gar nur mit Sabbathstagen oder
Stunden abgefertigt) ſchlummert man erſtlich leicht
wie auf gewiegten Wolken — man erwacht wie ein
heiterer Tag — man hatte ſich Abends vorher ge¬
wiß vorgenommen und es deswegen in Ehiffern an
die Thuͤre geſchrieben, ſich zu beſſern und das Jaͤte¬
meſſer alle Tage wenigſtens an ein Unkraut-Beet
anzuſetzen — beim Erwachen will mans noch und
ſetzet es wirklich durch — Die Galle, dieſer auf¬
brauſende Spiritus, der ſonſt, wenn er ſtatt in den
Zwoͤlffingerdarm in das Herz oder Herzblut gegoſſen
wird, mit Wolken aufſiedet und ziſcht, wird in we¬
nig Sekunden eingeſogen oder niedergeſchlagen und
der erhoͤhte Geiſt fuͤhlt ruhig das koͤrperliche
Aufwallen
ohne ſeines — In dieſer Windſtille un¬
ſerer Lungenfluͤgel ſpricht man nur ſanfte, leiſe Wor¬
te, man faſſet liebend die Hand eines jeden, mit
dem man ſpricht und man denkt mit zerfließendem
Herzen: ach ich goͤnnte euchs allen wohl, wenn ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="165"/>
gleich nach der Fru&#x0364;hlings- Tag- und Nachtgleiche<lb/>
oder in den Nach&#x017F;ommer.</p><lb/>
        <p>Bei Viktor war das er&#x017F;tere, gerade mitten im<lb/>
Fru&#x0364;hling. Ich brauch' es nicht auszumitteln ob der<lb/>
Ko&#x0364;rper, das Wetter oder wer die&#x017F;en <hi rendition="#g">Gottesfrie¬<lb/>
den</hi> in un&#x017F;erer Bru&#x017F;t einla&#x0364;ute: &#x017F;ondern &#x017F;chreiben<lb/>
&#x017F;oll ichs, wie &#x017F;ie aus&#x017F;ehen, die Sabbathswochen.<lb/>
So: in einer &#x017F;tillen oder Sabbathswoche (manche,<lb/>
z. B. ich, werden gar nur mit Sabbathstagen oder<lb/>
Stunden abgefertigt) &#x017F;chlummert man er&#x017F;tlich leicht<lb/>
wie auf gewiegten Wolken &#x2014; man erwacht wie ein<lb/>
heiterer Tag &#x2014; man hatte &#x017F;ich Abends vorher ge¬<lb/>
wiß vorgenommen und es deswegen in Ehiffern an<lb/>
die Thu&#x0364;re ge&#x017F;chrieben, &#x017F;ich zu be&#x017F;&#x017F;ern und das Ja&#x0364;te¬<lb/>
me&#x017F;&#x017F;er alle Tage wenig&#x017F;tens an ein Unkraut-Beet<lb/>
anzu&#x017F;etzen &#x2014; beim Erwachen will mans noch und<lb/>
&#x017F;etzet es wirklich durch &#x2014; Die Galle, die&#x017F;er auf¬<lb/>
brau&#x017F;ende Spiritus, der &#x017F;on&#x017F;t, wenn er &#x017F;tatt in den<lb/>
Zwo&#x0364;lffingerdarm in das Herz oder Herzblut gego&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wird, mit Wolken auf&#x017F;iedet und zi&#x017F;cht, wird in we¬<lb/>
nig Sekunden einge&#x017F;ogen oder niederge&#x017F;chlagen und<lb/>
der erho&#x0364;hte Gei&#x017F;t <hi rendition="#g">fu&#x0364;hlt ruhig das ko&#x0364;rperliche<lb/>
Aufwallen</hi> ohne &#x017F;eines &#x2014; In die&#x017F;er Wind&#x017F;tille un¬<lb/>
&#x017F;erer Lungenflu&#x0364;gel &#x017F;pricht man nur &#x017F;anfte, lei&#x017F;e Wor¬<lb/>
te, man fa&#x017F;&#x017F;et liebend die Hand eines jeden, mit<lb/>
dem man &#x017F;pricht und man denkt mit zerfließendem<lb/>
Herzen: ach ich go&#x0364;nnte euchs allen wohl, wenn ihr<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0176] gleich nach der Fruͤhlings- Tag- und Nachtgleiche oder in den Nachſommer. Bei Viktor war das erſtere, gerade mitten im Fruͤhling. Ich brauch' es nicht auszumitteln ob der Koͤrper, das Wetter oder wer dieſen Gottesfrie¬ den in unſerer Bruſt einlaͤute: ſondern ſchreiben ſoll ichs, wie ſie ausſehen, die Sabbathswochen. So: in einer ſtillen oder Sabbathswoche (manche, z. B. ich, werden gar nur mit Sabbathstagen oder Stunden abgefertigt) ſchlummert man erſtlich leicht wie auf gewiegten Wolken — man erwacht wie ein heiterer Tag — man hatte ſich Abends vorher ge¬ wiß vorgenommen und es deswegen in Ehiffern an die Thuͤre geſchrieben, ſich zu beſſern und das Jaͤte¬ meſſer alle Tage wenigſtens an ein Unkraut-Beet anzuſetzen — beim Erwachen will mans noch und ſetzet es wirklich durch — Die Galle, dieſer auf¬ brauſende Spiritus, der ſonſt, wenn er ſtatt in den Zwoͤlffingerdarm in das Herz oder Herzblut gegoſſen wird, mit Wolken aufſiedet und ziſcht, wird in we¬ nig Sekunden eingeſogen oder niedergeſchlagen und der erhoͤhte Geiſt fuͤhlt ruhig das koͤrperliche Aufwallen ohne ſeines — In dieſer Windſtille un¬ ſerer Lungenfluͤgel ſpricht man nur ſanfte, leiſe Wor¬ te, man faſſet liebend die Hand eines jeden, mit dem man ſpricht und man denkt mit zerfließendem Herzen: ach ich goͤnnte euchs allen wohl, wenn ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/176
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/176>, abgerufen am 27.11.2024.