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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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zu kommen -- welches auch zu machen war, denn
sie kam nicht. Sie hatte in Maienthal noch Ge¬
päck abzuholen, Freundschaften zu begießen und noch
einmal in den Zauberkreis ihres erhabnen Mentors
zu treten; und war also dahin abgegangen.

Die nächsten Wochen tanzten jetzt wie eben so
viel Horen in Anglaisen und Cotillons vor ihm vor¬
bei. Seine Vormittage hingen voll Früchte, seine
Nachmittage voll Blumen: denn am Morgen wohnte
seine Seele mit ihren Anstrengungen in seinem Ko¬
pfe, gegen Abend in seinem Herzen. Abends liebt
man Karten -- Gedichte -- Aufrichtigkeit -- Wei¬
ber -- Musik recht sehr, Morgens recht wenig:
in der Geisterstunde ist diese Liebe am allerstärksten.

Zwei Sorgen ausgenommen -- die erste war,
wenn sein Emanuel ihm schreiben würde, damit er
ihn vielleicht noch besuchen könnte, eh' er an die
Deichsel des Hofs- und Staatswagens geschirret
wäre; die zweite war, letzteres zu bald zu werden --
hatt' er jetzt fast nichts zu thun als glücklich zu
seyn oder glücklich zu machen; denn in diese Wochen
fielen gerade seine stillen oder Sabbathswochen
ein. ...

Ich weis nicht, ob sie der Leser schon kennt: sie
stehen nicht im verbesserten Kalender; aber sie fal¬
len regelmäßig (bei einigen Menschen) entweder

zu kommen — welches auch zu machen war, denn
ſie kam nicht. Sie hatte in Maienthal noch Ge¬
paͤck abzuholen, Freundſchaften zu begießen und noch
einmal in den Zauberkreis ihres erhabnen Mentors
zu treten; und war alſo dahin abgegangen.

Die naͤchſten Wochen tanzten jetzt wie eben ſo
viel Horen in Anglaiſen und Cotillons vor ihm vor¬
bei. Seine Vormittage hingen voll Fruͤchte, ſeine
Nachmittage voll Blumen: denn am Morgen wohnte
ſeine Seele mit ihren Anſtrengungen in ſeinem Ko¬
pfe, gegen Abend in ſeinem Herzen. Abends liebt
man Karten — Gedichte — Aufrichtigkeit — Wei¬
ber — Muſik recht ſehr, Morgens recht wenig:
in der Geiſterſtunde iſt dieſe Liebe am allerſtaͤrkſten.

Zwei Sorgen ausgenommen — die erſte war,
wenn ſein Emanuel ihm ſchreiben wuͤrde, damit er
ihn vielleicht noch beſuchen koͤnnte, eh' er an die
Deichſel des Hofs- und Staatswagens geſchirret
waͤre; die zweite war, letzteres zu bald zu werden —
hatt' er jetzt faſt nichts zu thun als gluͤcklich zu
ſeyn oder gluͤcklich zu machen; denn in dieſe Wochen
fielen gerade ſeine ſtillen oder Sabbathswochen
ein. ...

Ich weis nicht, ob ſie der Leſer ſchon kennt: ſie
ſtehen nicht im verbeſſerten Kalender; aber ſie fal¬
len regelmaͤßig (bei einigen Menſchen) entweder

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[164/0175] zu kommen — welches auch zu machen war, denn ſie kam nicht. Sie hatte in Maienthal noch Ge¬ paͤck abzuholen, Freundſchaften zu begießen und noch einmal in den Zauberkreis ihres erhabnen Mentors zu treten; und war alſo dahin abgegangen. Die naͤchſten Wochen tanzten jetzt wie eben ſo viel Horen in Anglaiſen und Cotillons vor ihm vor¬ bei. Seine Vormittage hingen voll Fruͤchte, ſeine Nachmittage voll Blumen: denn am Morgen wohnte ſeine Seele mit ihren Anſtrengungen in ſeinem Ko¬ pfe, gegen Abend in ſeinem Herzen. Abends liebt man Karten — Gedichte — Aufrichtigkeit — Wei¬ ber — Muſik recht ſehr, Morgens recht wenig: in der Geiſterſtunde iſt dieſe Liebe am allerſtaͤrkſten. Zwei Sorgen ausgenommen — die erſte war, wenn ſein Emanuel ihm ſchreiben wuͤrde, damit er ihn vielleicht noch beſuchen koͤnnte, eh' er an die Deichſel des Hofs- und Staatswagens geſchirret waͤre; die zweite war, letzteres zu bald zu werden — hatt' er jetzt faſt nichts zu thun als gluͤcklich zu ſeyn oder gluͤcklich zu machen; denn in dieſe Wochen fielen gerade ſeine ſtillen oder Sabbathswochen ein. ... Ich weis nicht, ob ſie der Leſer ſchon kennt: ſie ſtehen nicht im verbeſſerten Kalender; aber ſie fal¬ len regelmaͤßig (bei einigen Menſchen) entweder

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/175>, abgerufen am 27.11.2024.