nirten Wörter auch: so gefiel er doch mit seinen we¬ der plumpen noch unhöflichen Schmeicheleien -- wozu auch seine Stellungen und Absichten gehören -- un¬ serem aufrichtigen Viktor, der seine Schmeichler, als Schwache, nicht hassen konnte. Die Kammer¬ herrin -- die schon in den Jahren war, die eine Kokette zu verhelen sucht, ob sie gleich die vorher¬ gehenden noch eher zu verbergen hätte -- nahm un¬ sern gutmeinenden Helden mit der aufrichtigsten Stimme auf, die noch aus einem falschen Judasbu¬ sen gekommen, und mit dem raffinirtesten Gesicht, auf dem nie die Täuschungen der Liebe (wie es schien) Platz zu einer Mine hatten finden können.
Die neue Gesellschaft nahm auf einmal Viktors Verlegenheit weg. Er bemerkte zwar bald die be¬ sondern Fecht- und Tanzpositionen des Bundes ge¬ gen einander: Klotilde schien gegen alle zurückhaltend und gleichgültig, außer gegen ihren Vater nicht -- die Stiefmutter war sein gegen den Kammerherrn, hochmüthig gegen die Stieftochter, verbindlich gegen Vikor und leicht, und gehorchend-koket gegen Mat¬ thieu -- dieser war gegen das Ehepaar abwechselnd schmeichlerisch und persiflirend, gegen Klotilde eis¬ kalt und gegen meinen Helden so höflich wie Le Baut gegen alle. Gleichwohl war Viktor froher und freier als alle, nicht blos weil er im Freien war -- da ein Zimmer allemal wie ein Stockhaus auf ihm
nirten Woͤrter auch: ſo gefiel er doch mit ſeinen we¬ der plumpen noch unhoͤflichen Schmeicheleien — wozu auch ſeine Stellungen und Abſichten gehoͤren — un¬ ſerem aufrichtigen Viktor, der ſeine Schmeichler, als Schwache, nicht haſſen konnte. Die Kammer¬ herrin — die ſchon in den Jahren war, die eine Kokette zu verhelen ſucht, ob ſie gleich die vorher¬ gehenden noch eher zu verbergen haͤtte — nahm un¬ ſern gutmeinenden Helden mit der aufrichtigſten Stimme auf, die noch aus einem falſchen Judasbu¬ ſen gekommen, und mit dem raffinirteſten Geſicht, auf dem nie die Taͤuſchungen der Liebe (wie es ſchien) Platz zu einer Mine hatten finden koͤnnen.
Die neue Geſellſchaft nahm auf einmal Viktors Verlegenheit weg. Er bemerkte zwar bald die be¬ ſondern Fecht- und Tanzpoſitionen des Bundes ge¬ gen einander: Klotilde ſchien gegen alle zuruͤckhaltend und gleichguͤltig, außer gegen ihren Vater nicht — die Stiefmutter war ſein gegen den Kammerherrn, hochmuͤthig gegen die Stieftochter, verbindlich gegen Vikor und leicht, und gehorchend-koket gegen Mat¬ thieu — dieſer war gegen das Ehepaar abwechſelnd ſchmeichleriſch und perſiflirend, gegen Klotilde eis¬ kalt und gegen meinen Helden ſo hoͤflich wie Le Baut gegen alle. Gleichwohl war Viktor froher und freier als alle, nicht blos weil er im Freien war — da ein Zimmer allemal wie ein Stockhaus auf ihm
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nirten Woͤrter auch: ſo gefiel er doch mit ſeinen we¬
der plumpen noch unhoͤflichen Schmeicheleien — wozu
auch ſeine Stellungen und Abſichten gehoͤren — un¬
ſerem aufrichtigen Viktor, der ſeine Schmeichler,
als Schwache, nicht haſſen konnte. Die Kammer¬
herrin — die ſchon in den Jahren war, die eine
Kokette zu verhelen ſucht, ob ſie gleich die vorher¬
gehenden noch eher zu verbergen haͤtte — nahm un¬
ſern gutmeinenden Helden mit der aufrichtigſten
Stimme auf, die noch aus einem falſchen Judasbu¬
ſen gekommen, und mit dem raffinirteſten Geſicht,
auf dem nie die Taͤuſchungen der Liebe (wie es
ſchien) Platz zu einer Mine hatten finden koͤnnen.
Die neue Geſellſchaft nahm auf einmal Viktors
Verlegenheit weg. Er bemerkte zwar bald die be¬
ſondern Fecht- und Tanzpoſitionen des Bundes ge¬
gen einander: Klotilde ſchien gegen alle zuruͤckhaltend
und gleichguͤltig, außer gegen ihren Vater nicht —
die Stiefmutter war ſein gegen den Kammerherrn,
hochmuͤthig gegen die Stieftochter, verbindlich gegen
Vikor und leicht, und gehorchend-koket gegen Mat¬
thieu — dieſer war gegen das Ehepaar abwechſelnd
ſchmeichleriſch und perſiflirend, gegen Klotilde eis¬
kalt und gegen meinen Helden ſo hoͤflich wie Le
Baut gegen alle. Gleichwohl war Viktor froher und
freier als alle, nicht blos weil er im Freien war —
da ein Zimmer allemal wie ein Stockhaus auf ihm
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/100>, abgerufen am 05.12.2024.
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