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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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Er ging aber. "O du wahrer Linker! *) (sagte
glühend der Flötenist) Doch zusehen will ich dir
unten, wie du vor meinen Augen die Wintersaat
zur herrlichsten Sommer-Ernte von Distelköpfen
für Finken aussäest!"

Als sie eintraten, fanden sie das Liebes-Paar
allein; der Reisediener war noch nicht zurückge¬
kommen zu Vult's Verdruß, der oben manche
Reden lange gesponnen hatte, um versäumen zu
lassen. Walts Gesicht glühte bewegt, auch die
Stimme; dabei warf er Blicke auf Vult in Angst,
dieser werde grob. Aber gegen alles Erwarten
war der Flötenspieler eine Flöte; er schauete so
unbefangen an und sprach so sanft. "Malen
Sie ganz lustig weiter," sagte Vult zu Flitten.
"Darüber kann wohl jeder sein Lied singen, über
dergleichen Bußtexte; manche besitzen ganze Lie¬
derbücher. Ich habe selber einmal in diesem Ge¬
sange der drei Männer im Feuer auf eine Weise
eine Stimme gehabt, daß ichs beinah' hier zum
Besten geben möchte, wenn ich wüßte, daß es

*) So hiessen in Elterlein bekanntlich die adeligen
Insassen.

Er ging aber. „O du wahrer Linker! *) (ſagte
gluͤhend der Floͤteniſt) Doch zuſehen will ich dir
unten, wie du vor meinen Augen die Winterſaat
zur herrlichſten Sommer-Ernte von Diſtelkoͤpfen
fuͤr Finken ausſaͤeſt!“

Als ſie eintraten, fanden ſie das Liebes-Paar
allein; der Reiſediener war noch nicht zuruͤckge¬
kommen zu Vult's Verdruß, der oben manche
Reden lange geſponnen hatte, um verſaͤumen zu
laſſen. Walts Geſicht gluͤhte bewegt, auch die
Stimme; dabei warf er Blicke auf Vult in Angſt,
dieſer werde grob. Aber gegen alles Erwarten
war der Floͤtenſpieler eine Floͤte; er ſchauete ſo
unbefangen an und ſprach ſo ſanft. „Malen
Sie ganz luſtig weiter,“ ſagte Vult zu Flitten.
„Daruͤber kann wohl jeder ſein Lied ſingen, uͤber
dergleichen Bußtexte; manche beſitzen ganze Lie¬
derbuͤcher. Ich habe ſelber einmal in dieſem Ge¬
ſange der drei Maͤnner im Feuer auf eine Weiſe
eine Stimme gehabt, daß ichs beinah' hier zum
Beſten geben moͤchte, wenn ich wuͤßte, daß es

*) So hieſſen in Elterlein bekanntlich die adeligen
Inſaſſen.
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[90/0096] Er ging aber. „O du wahrer Linker! *) (ſagte gluͤhend der Floͤteniſt) Doch zuſehen will ich dir unten, wie du vor meinen Augen die Winterſaat zur herrlichſten Sommer-Ernte von Diſtelkoͤpfen fuͤr Finken ausſaͤeſt!“ Als ſie eintraten, fanden ſie das Liebes-Paar allein; der Reiſediener war noch nicht zuruͤckge¬ kommen zu Vult's Verdruß, der oben manche Reden lange geſponnen hatte, um verſaͤumen zu laſſen. Walts Geſicht gluͤhte bewegt, auch die Stimme; dabei warf er Blicke auf Vult in Angſt, dieſer werde grob. Aber gegen alles Erwarten war der Floͤtenſpieler eine Floͤte; er ſchauete ſo unbefangen an und ſprach ſo ſanft. „Malen Sie ganz luſtig weiter,“ ſagte Vult zu Flitten. „Daruͤber kann wohl jeder ſein Lied ſingen, uͤber dergleichen Bußtexte; manche beſitzen ganze Lie¬ derbuͤcher. Ich habe ſelber einmal in dieſem Ge¬ ſange der drei Maͤnner im Feuer auf eine Weiſe eine Stimme gehabt, daß ichs beinah' hier zum Beſten geben moͤchte, wenn ich wuͤßte, daß es *) So hieſſen in Elterlein bekanntlich die adeligen Inſaſſen.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/96>, abgerufen am 27.11.2024.