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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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so gut mit dem Hinter-Kopfe und Stahlkamm
gesessen. Der Elsaßer gab ihr darauf einige Küsse
öffentlich. Er thats vermuthlich zu abrupt, dach¬
te zu wenig daran, daß auch erblickte Empfin¬
dungen -- so gut als gelesene -- vor dem Zu¬
schauer wollen motivirt seyn; Walt sah eiligst in
den Park und stand endlich gar auf.

"Ich wäre ja ein Satanas, dacht' er, ließ'
ich sie nicht einander abherzen" und schlich unter
einem landschaftsmalerischen Vorwand ein wenig
auf sein Zimmer. Flitte machte sich, so bald er
die Thüre zugedrückt, vom schönen Munde wie¬
der ans Malen desselben und punktirte fleißig.
"Wie müssen jetzt die Seligen, sagte oben Walt,
"einander an den Herzen halten, und die Abend¬
"sonne glüht prächtig dazwischen hinein!" -- In
seine eigne Stube quoll das Füllhorn der Abend¬
rosen noch reicher und weiter aus; dennoch stan¬
den seine verschlissenen Zimmer-Pieces (die Wohn-
und die Schlaf-Kammer) im Abstich von der
eben verlassenen Putz-Stube und er maß die Kluft
seines äusserlichen Glücks. Er wurde weich, und
wollte aus Sehnsucht, die Liebe wenigstens zu

ſo gut mit dem Hinter-Kopfe und Stahlkamm
geſeſſen. Der Elſaßer gab ihr darauf einige Kuͤſſe
oͤffentlich. Er thats vermuthlich zu abrupt, dach¬
te zu wenig daran, daß auch erblickte Empfin¬
dungen — ſo gut als geleſene — vor dem Zu¬
ſchauer wollen motivirt ſeyn; Walt ſah eiligſt in
den Park und ſtand endlich gar auf.

„Ich waͤre ja ein Satanas, dacht' er, ließ'
ich ſie nicht einander abherzen“ und ſchlich unter
einem landſchaftsmaleriſchen Vorwand ein wenig
auf ſein Zimmer. Flitte machte ſich, ſo bald er
die Thuͤre zugedruͤckt, vom ſchoͤnen Munde wie¬
der ans Malen deſſelben und punktirte fleißig.
„Wie muͤſſen jetzt die Seligen, ſagte oben Walt,
„einander an den Herzen halten, und die Abend¬
„ſonne gluͤht praͤchtig dazwiſchen hinein!“ — In
ſeine eigne Stube quoll das Fuͤllhorn der Abend¬
roſen noch reicher und weiter aus; dennoch ſtan¬
den ſeine verſchliſſenen Zimmer-Pieces (die Wohn-
und die Schlaf-Kammer) im Abſtich von der
eben verlaſſenen Putz-Stube und er maß die Kluft
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[68/0074] ſo gut mit dem Hinter-Kopfe und Stahlkamm geſeſſen. Der Elſaßer gab ihr darauf einige Kuͤſſe oͤffentlich. Er thats vermuthlich zu abrupt, dach¬ te zu wenig daran, daß auch erblickte Empfin¬ dungen — ſo gut als geleſene — vor dem Zu¬ ſchauer wollen motivirt ſeyn; Walt ſah eiligſt in den Park und ſtand endlich gar auf. „Ich waͤre ja ein Satanas, dacht' er, ließ' ich ſie nicht einander abherzen“ und ſchlich unter einem landſchaftsmaleriſchen Vorwand ein wenig auf ſein Zimmer. Flitte machte ſich, ſo bald er die Thuͤre zugedruͤckt, vom ſchoͤnen Munde wie¬ der ans Malen deſſelben und punktirte fleißig. „Wie muͤſſen jetzt die Seligen, ſagte oben Walt, „einander an den Herzen halten, und die Abend¬ „ſonne gluͤht praͤchtig dazwiſchen hinein!“ — In ſeine eigne Stube quoll das Fuͤllhorn der Abend¬ roſen noch reicher und weiter aus; dennoch ſtan¬ den ſeine verſchliſſenen Zimmer-Pieces (die Wohn- und die Schlaf-Kammer) im Abſtich von der eben verlaſſenen Putz-Stube und er maß die Kluft ſeines aͤuſſerlichen Gluͤcks. Er wurde weich, und wollte aus Sehnſucht, die Liebe wenigſtens zu

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/74>, abgerufen am 27.11.2024.