liebsten trinkt. Ein Bedienter nach dem andern sah durch die Thüre, um einen von Raphaelens Wünschen zu holen und erfüllt zurück zu bringen. Die ganze Dienerschaft schien ihre Regierung für eine goldne von Saturn zu halten; man sah ei¬ nige von der weiblichen sogar im Park spazieren gehen. Die immer voller ins Zimmer hineinströ¬ mende Abendsonne und der Freudenglanz, der je¬ dem Gesichte steht, bewarfen das Mädchen und die Situazion mit ansehnlichen Reitzen. Flitte war gegen Raphaela nicht die Falschheit selber, sondern ein Fünftelsaft von Wesen -- nämlich ein Fünftel galant, ein Fünftel gut, eines sinnlich, eines Geldsüchtig, ein Fünftel ich weiß nicht was als sie zu Walts Entzücken gesagt hat¬ te: "Schmeicheln sollen Sie meinem Gesichte nicht, es hilft nichts; machen Sie es nur, daß ma chere mere es wieder erkennt." -- Im Notar kroch heimlich die stille Freude herum, daß er jetzt gerade unter seinem eignen Zimmer stehe, im Hause zugleich Gast und Miethsmann, daß er ferner nicht die kleinste Verlegenheit spüre -- denn Flitte war ihm nicht fremd und über Eine Frau
war
liebſten trinkt. Ein Bedienter nach dem andern ſah durch die Thuͤre, um einen von Raphaelens Wuͤnſchen zu holen und erfuͤllt zuruͤck zu bringen. Die ganze Dienerſchaft ſchien ihre Regierung fuͤr eine goldne von Saturn zu halten; man ſah ei¬ nige von der weiblichen ſogar im Park ſpazieren gehen. Die immer voller ins Zimmer hineinſtroͤ¬ mende Abendſonne und der Freudenglanz, der je¬ dem Geſichte ſteht, bewarfen das Maͤdchen und die Situazion mit anſehnlichen Reitzen. Flitte war gegen Raphaela nicht die Falſchheit ſelber, ſondern ein Fuͤnftelſaft von Weſen — naͤmlich ein Fuͤnftel galant, ein Fuͤnftel gut, eines ſinnlich, eines Geldſuͤchtig, ein Fuͤnftel ich weiß nicht was als ſie zu Walts Entzuͤcken geſagt hat¬ te: „Schmeicheln ſollen Sie meinem Geſichte nicht, es hilft nichts; machen Sie es nur, daß ma chère mère es wieder erkennt.“ — Im Notar kroch heimlich die ſtille Freude herum, daß er jetzt gerade unter ſeinem eignen Zimmer ſtehe, im Hauſe zugleich Gaſt und Miethsmann, daß er ferner nicht die kleinſte Verlegenheit ſpuͤre — denn Flitte war ihm nicht fremd und uͤber Eine Frau
war
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0070"n="64"/>
liebſten trinkt. Ein Bedienter nach dem andern<lb/>ſah durch die Thuͤre, um einen von Raphaelens<lb/>
Wuͤnſchen zu holen und erfuͤllt zuruͤck zu bringen.<lb/>
Die ganze Dienerſchaft ſchien ihre Regierung fuͤr<lb/>
eine goldne von Saturn zu halten; man ſah ei¬<lb/>
nige von der weiblichen ſogar im Park ſpazieren<lb/>
gehen. Die immer voller ins Zimmer hineinſtroͤ¬<lb/>
mende Abendſonne und der Freudenglanz, der je¬<lb/>
dem Geſichte ſteht, bewarfen das Maͤdchen und<lb/>
die Situazion mit anſehnlichen Reitzen. Flitte<lb/>
war gegen Raphaela nicht die Falſchheit ſelber,<lb/>ſondern ein Fuͤnftelſaft von Weſen — naͤmlich ein<lb/>
Fuͤnftel galant, ein Fuͤnftel gut, eines ſinnlich,<lb/>
eines Geldſuͤchtig, ein Fuͤnftel ich weiß nicht<lb/>
was als ſie zu Walts Entzuͤcken geſagt hat¬<lb/>
te: „Schmeicheln ſollen Sie meinem Geſichte<lb/>
nicht, es hilft nichts; machen Sie es nur, daß<lb/><hirendition="#aq">ma chère mère</hi> es wieder erkennt.“— Im Notar<lb/>
kroch heimlich die ſtille Freude herum, daß er<lb/>
jetzt gerade unter ſeinem eignen Zimmer ſtehe, im<lb/>
Hauſe zugleich Gaſt und Miethsmann, daß er<lb/>
ferner nicht die kleinſte Verlegenheit ſpuͤre — denn<lb/>
Flitte war ihm nicht fremd und uͤber Eine Frau<lb/><fwplace="bottom"type="catch">war<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[64/0070]
liebſten trinkt. Ein Bedienter nach dem andern
ſah durch die Thuͤre, um einen von Raphaelens
Wuͤnſchen zu holen und erfuͤllt zuruͤck zu bringen.
Die ganze Dienerſchaft ſchien ihre Regierung fuͤr
eine goldne von Saturn zu halten; man ſah ei¬
nige von der weiblichen ſogar im Park ſpazieren
gehen. Die immer voller ins Zimmer hineinſtroͤ¬
mende Abendſonne und der Freudenglanz, der je¬
dem Geſichte ſteht, bewarfen das Maͤdchen und
die Situazion mit anſehnlichen Reitzen. Flitte
war gegen Raphaela nicht die Falſchheit ſelber,
ſondern ein Fuͤnftelſaft von Weſen — naͤmlich ein
Fuͤnftel galant, ein Fuͤnftel gut, eines ſinnlich,
eines Geldſuͤchtig, ein Fuͤnftel ich weiß nicht
was als ſie zu Walts Entzuͤcken geſagt hat¬
te: „Schmeicheln ſollen Sie meinem Geſichte
nicht, es hilft nichts; machen Sie es nur, daß
ma chère mère es wieder erkennt.“ — Im Notar
kroch heimlich die ſtille Freude herum, daß er
jetzt gerade unter ſeinem eignen Zimmer ſtehe, im
Hauſe zugleich Gaſt und Miethsmann, daß er
ferner nicht die kleinſte Verlegenheit ſpuͤre — denn
Flitte war ihm nicht fremd und uͤber Eine Frau
war
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/70>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.