Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

zähe an die Ferse der andern anzuschienen. "Ach
ihr Lieben!" sagte sein Herz. Was er nur hörte,
entklang ihm so zart; "aber dacht' er, sind denn
"Frauenzimmer anders? Mitten im unreinen
"männlichen Weltleben, das alle Ströme und
"Leichen aufnimmt, sind sie ja abgesondert voll
"eigner Reinheit; im salzigen Weltmeer kleine
"Inseln voll frischen klaren Wasser; o diese Gu¬
"ten!" --

Als er heraus trat, wurden ihm auf einem
goldnen Eßgeschirr des regierenden Fürsten leichte
Farschen, Rouletten und Frikandellen aufgetischt
-- für die Freßspitzen der Phantasie. Das Ge¬
schirr -- das Geschenk eines alten Königs -- wur¬
de nämlich jährlich zweimal öffentlich auf dem
Markte abgescheuert und geputzt unter den Augen
eines kleinen Kommandos zu Fuß, das seine Waf¬
fen hatte, um es gegen ungerathene Landeskinder
zu decken.

Sie gingen zum Galanteriehändler Prielmayer
und ließen sich von der Pracht der weiblichen Welt
umgeben.

Ein so freier, leichter, alle Stände mischen¬

zaͤhe an die Ferſe der andern anzuſchienen. „Ach
ihr Lieben!” ſagte ſein Herz. Was er nur hoͤrte,
entklang ihm ſo zart; „aber dacht' er, ſind denn
„Frauenzimmer anders? Mitten im unreinen
„maͤnnlichen Weltleben, das alle Stroͤme und
„Leichen aufnimmt, ſind ſie ja abgeſondert voll
„eigner Reinheit; im ſalzigen Weltmeer kleine
„Inſeln voll friſchen klaren Waſſer; o dieſe Gu¬
„ten!” —

Als er heraus trat, wurden ihm auf einem
goldnen Eßgeſchirr des regierenden Fuͤrſten leichte
Farſchen, Rouletten und Frikandellen aufgetiſcht
— fuͤr die Freßſpitzen der Phantaſie. Das Ge¬
ſchirr — das Geſchenk eines alten Koͤnigs — wur¬
de naͤmlich jaͤhrlich zweimal oͤffentlich auf dem
Markte abgeſcheuert und geputzt unter den Augen
eines kleinen Kommandos zu Fuß, das ſeine Waf¬
fen hatte, um es gegen ungerathene Landeskinder
zu decken.

Sie gingen zum Galanteriehaͤndler Prielmayer
und ließen ſich von der Pracht der weiblichen Welt
umgeben.

Ein ſo freier, leichter, alle Staͤnde miſchen¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="39"/>
za&#x0364;he an die Fer&#x017F;e der andern anzu&#x017F;chienen. &#x201E;Ach<lb/>
ihr Lieben!&#x201D; &#x017F;agte &#x017F;ein Herz. Was er nur ho&#x0364;rte,<lb/>
entklang ihm &#x017F;o zart; &#x201E;aber dacht' er, &#x017F;ind denn<lb/>
&#x201E;Frauenzimmer anders? Mitten im unreinen<lb/>
&#x201E;ma&#x0364;nnlichen Weltleben, das alle Stro&#x0364;me und<lb/>
&#x201E;Leichen aufnimmt, &#x017F;ind &#x017F;ie ja abge&#x017F;ondert voll<lb/>
&#x201E;eigner Reinheit; im &#x017F;alzigen Weltmeer kleine<lb/>
&#x201E;In&#x017F;eln voll fri&#x017F;chen klaren Wa&#x017F;&#x017F;er; o die&#x017F;e Gu¬<lb/>
&#x201E;ten!&#x201D; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Als er heraus trat, wurden ihm auf einem<lb/>
goldnen Eßge&#x017F;chirr des regierenden Fu&#x0364;r&#x017F;ten leichte<lb/>
Far&#x017F;chen, Rouletten und Frikandellen aufgeti&#x017F;cht<lb/>
&#x2014; fu&#x0364;r die Freß&#x017F;pitzen der Phanta&#x017F;ie. Das Ge¬<lb/>
&#x017F;chirr &#x2014; das Ge&#x017F;chenk eines alten Ko&#x0364;nigs &#x2014; wur¬<lb/>
de na&#x0364;mlich ja&#x0364;hrlich zweimal o&#x0364;ffentlich auf dem<lb/>
Markte abge&#x017F;cheuert und geputzt unter den Augen<lb/>
eines kleinen Kommandos zu Fuß, das &#x017F;eine Waf¬<lb/>
fen hatte, um es gegen ungerathene Landeskinder<lb/>
zu decken.</p><lb/>
        <p>Sie gingen zum Galanterieha&#x0364;ndler Prielmayer<lb/>
und ließen &#x017F;ich von der Pracht der weiblichen Welt<lb/>
umgeben.</p><lb/>
        <p>Ein &#x017F;o freier, leichter, alle Sta&#x0364;nde mi&#x017F;chen¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0045] zaͤhe an die Ferſe der andern anzuſchienen. „Ach ihr Lieben!” ſagte ſein Herz. Was er nur hoͤrte, entklang ihm ſo zart; „aber dacht' er, ſind denn „Frauenzimmer anders? Mitten im unreinen „maͤnnlichen Weltleben, das alle Stroͤme und „Leichen aufnimmt, ſind ſie ja abgeſondert voll „eigner Reinheit; im ſalzigen Weltmeer kleine „Inſeln voll friſchen klaren Waſſer; o dieſe Gu¬ „ten!” — Als er heraus trat, wurden ihm auf einem goldnen Eßgeſchirr des regierenden Fuͤrſten leichte Farſchen, Rouletten und Frikandellen aufgetiſcht — fuͤr die Freßſpitzen der Phantaſie. Das Ge¬ ſchirr — das Geſchenk eines alten Koͤnigs — wur¬ de naͤmlich jaͤhrlich zweimal oͤffentlich auf dem Markte abgeſcheuert und geputzt unter den Augen eines kleinen Kommandos zu Fuß, das ſeine Waf¬ fen hatte, um es gegen ungerathene Landeskinder zu decken. Sie gingen zum Galanteriehaͤndler Prielmayer und ließen ſich von der Pracht der weiblichen Welt umgeben. Ein ſo freier, leichter, alle Staͤnde miſchen¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/45
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/45>, abgerufen am 25.11.2024.