est anno MDCCLX. Denn wer solche fremde Zahlen-Zeichen mehr in eigner als in fremder Sprache ablesen muß, weil er diese nicht versteht, fällt halb ins Lächerliche bei aller sonstigen Ge¬ lehrsamkeit. --
Er ging mit Walt zum Postmeister, blos um, wie er gewöhnlich that, nach Marseiller Brie¬ fen vergeblich zu fragen. Dem Postsekretair las er eine schwere französische Aufschrift vor. Walt pries dessen Accent und Prononciation aufrich¬ tig. Auf der Strasse macht' ihm nun Flitte zehn vergebliche male vor, wie er wenigstens beide Worte zu accentuiren und zu prononciren habe. Walt gestand, daß ihm mehr Ohr als Zunge fehle, drückte ihm die Hand mit dem Bekenntniß, daß er die meisten Franzosen gelesen, aber noch keinen gehört, und daß er deswegen so eifrig auf jeden Laut von Flitte horche; indeß berief er sich auf den General Zablocki, ob er nicht vielleicht eine erträg¬ liche Hand von Schomacker davon gebracht. Dar¬ auf zeigte ihm Flitte gegenseitig Germanismen der Phrasen, die ihm noch anklebten.
Sie gingen zur Stückjunkerin, bei welcher
est anno MDCCLX. Denn wer ſolche fremde Zahlen-Zeichen mehr in eigner als in fremder Sprache ableſen muß, weil er dieſe nicht verſteht, faͤllt halb ins Laͤcherliche bei aller ſonſtigen Ge¬ lehrſamkeit. —
Er ging mit Walt zum Poſtmeiſter, blos um, wie er gewoͤhnlich that, nach Marſeiller Brie¬ fen vergeblich zu fragen. Dem Poſtſekretair las er eine ſchwere franzoͤſiſche Aufſchrift vor. Walt pries deſſen Accent und Prononciation aufrich¬ tig. Auf der Straſſe macht' ihm nun Flitte zehn vergebliche male vor, wie er wenigſtens beide Worte zu accentuiren und zu prononciren habe. Walt geſtand, daß ihm mehr Ohr als Zunge fehle, druͤckte ihm die Hand mit dem Bekenntniß, daß er die meiſten Franzoſen geleſen, aber noch keinen gehoͤrt, und daß er deswegen ſo eifrig auf jeden Laut von Flitte horche; indeß berief er ſich auf den General Zablocki, ob er nicht vielleicht eine ertraͤg¬ liche Hand von Schomacker davon gebracht. Dar¬ auf zeigte ihm Flitte gegenſeitig Germaniſmen der Phraſen, die ihm noch anklebten.
Sie gingen zur Stuͤckjunkerin, bei welcher
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est anno MDCCLX. Denn wer ſolche fremde
Zahlen-Zeichen mehr in eigner als in fremder
Sprache ableſen muß, weil er dieſe nicht verſteht,
faͤllt halb ins Laͤcherliche bei aller ſonſtigen Ge¬
lehrſamkeit. —
Er ging mit Walt zum Poſtmeiſter, blos
um, wie er gewoͤhnlich that, nach Marſeiller Brie¬
fen vergeblich zu fragen. Dem Poſtſekretair las
er eine ſchwere franzoͤſiſche Aufſchrift vor. Walt
pries deſſen Accent und Prononciation aufrich¬
tig. Auf der Straſſe macht' ihm nun Flitte zehn
vergebliche male vor, wie er wenigſtens beide
Worte zu accentuiren und zu prononciren habe.
Walt geſtand, daß ihm mehr Ohr als Zunge fehle,
druͤckte ihm die Hand mit dem Bekenntniß, daß
er die meiſten Franzoſen geleſen, aber noch keinen
gehoͤrt, und daß er deswegen ſo eifrig auf jeden
Laut von Flitte horche; indeß berief er ſich auf den
General Zablocki, ob er nicht vielleicht eine ertraͤg¬
liche Hand von Schomacker davon gebracht. Dar¬
auf zeigte ihm Flitte gegenſeitig Germaniſmen der
Phraſen, die ihm noch anklebten.
Sie gingen zur Stuͤckjunkerin, bei welcher
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/43>, abgerufen am 23.11.2024.
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