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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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Osten, Psyche flog in Westen auf, und sie fan¬
den sich oben mitten im Himmel, und die beiden
Sonnen giengen auf -- es waren nur zwei leise
Töne, zwei an einander sterbende und erwachen¬
de; sie tönten vielleicht: "Du und ich"; zwei
heilige, aber furchtbare fast aus der tiefsten Brust
und Ewigkeit gezogne Laute, als sage sich Gott
das erste Wort, und antwortete sich das erste.
Der Sterbliche durfte sie nicht hören, ohne zu
sterben. Ich schlief in den Schlaf hinunter,
doch schlaf- und todestrunken, war mir, als ver¬
hülle und vergifte mich der Blumenduft eines
vorbeifliegenden Paradieses -- --

Da fand ich mich plötzlich am alten ersten
Ufer wieder, die böse Feindin stand wieder im
Wasser; aber sie zitterte wie vor Frost, und
zeigte ängstlich auf das glatte Meer hinter ihr,
mit den Worten: "die Ewigkeit ist vorbei, der
Sturm kommt, denn das Meer wird geregt."
Ich sah hin, und die Unermeßlichkeit gohr zu
unzähligen Hügeln auf, und zum himmelhohen
Sturme; doch tief im Horizont wallete hinter
den Zacken ein sanftes Morgenlicht empor. Aber

Oſten, Pſyche flog in Weſten auf, und ſie fan¬
den ſich oben mitten im Himmel, und die beiden
Sonnen giengen auf — es waren nur zwei leiſe
Toͤne, zwei an einander ſterbende und erwachen¬
de; ſie toͤnten vielleicht: „Du und ich“; zwei
heilige, aber furchtbare faſt aus der tiefſten Bruſt
und Ewigkeit gezogne Laute, als ſage ſich Gott
das erſte Wort, und antwortete ſich das erſte.
Der Sterbliche durfte ſie nicht hoͤren, ohne zu
ſterben. Ich ſchlief in den Schlaf hinunter,
doch ſchlaf- und todestrunken, war mir, als ver¬
huͤlle und vergifte mich der Blumenduft eines
vorbeifliegenden Paradieſes — —

Da fand ich mich ploͤtzlich am alten erſten
Ufer wieder, die boͤſe Feindin ſtand wieder im
Waſſer; aber ſie zitterte wie vor Froſt, und
zeigte aͤngſtlich auf das glatte Meer hinter ihr,
mit den Worten: „die Ewigkeit iſt vorbei, der
Sturm kommt, denn das Meer wird geregt.“
Ich ſah hin, und die Unermeßlichkeit gohr zu
unzaͤhligen Huͤgeln auf, und zum himmelhohen
Sturme; doch tief im Horizont wallete hinter
den Zacken ein ſanftes Morgenlicht empor. Aber

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[310/0316] Oſten, Pſyche flog in Weſten auf, und ſie fan¬ den ſich oben mitten im Himmel, und die beiden Sonnen giengen auf — es waren nur zwei leiſe Toͤne, zwei an einander ſterbende und erwachen¬ de; ſie toͤnten vielleicht: „Du und ich“; zwei heilige, aber furchtbare faſt aus der tiefſten Bruſt und Ewigkeit gezogne Laute, als ſage ſich Gott das erſte Wort, und antwortete ſich das erſte. Der Sterbliche durfte ſie nicht hoͤren, ohne zu ſterben. Ich ſchlief in den Schlaf hinunter, doch ſchlaf- und todestrunken, war mir, als ver¬ huͤlle und vergifte mich der Blumenduft eines vorbeifliegenden Paradieſes — — Da fand ich mich ploͤtzlich am alten erſten Ufer wieder, die boͤſe Feindin ſtand wieder im Waſſer; aber ſie zitterte wie vor Froſt, und zeigte aͤngſtlich auf das glatte Meer hinter ihr, mit den Worten: „die Ewigkeit iſt vorbei, der Sturm kommt, denn das Meer wird geregt.“ Ich ſah hin, und die Unermeßlichkeit gohr zu unzaͤhligen Huͤgeln auf, und zum himmelhohen Sturme; doch tief im Horizont wallete hinter den Zacken ein ſanftes Morgenlicht empor. Aber

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/316>, abgerufen am 25.11.2024.