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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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sogar der Körper Musik werde -- wie der Mensch
fliege, und das Leben stehe -- wie zwei Seelen
die Menge verlieren, und einsam wie Himmels¬
körper in einem Aetherraum um sich, und um die
Regel kreisen -- wie nur Seelen tanzen sollten, die
sich lieben, um in diesem Kunst-Schein harmo¬
nischer Bewegung die geistige abzuspiegeln. Als
sie standen, und er die Redoute mit ihrem tanzen¬
den Sturmlaufen übersah, so sagte er: "wie er¬
haben sehen die Mäntel und großen Hüte der
Männer aus, gleichsam die Felsenpartie neben
der weiblichen Gartenpartie! Ein Ball en masque
ist vielleicht das Höchste, was der spielenden Poe¬
sie das Leben nachzuspielen vermag. Wie vor
dem Dichter alle Stände und Zeiten gleich sind,
und alles Aeußere nur Kleid ist, alles Innere aber
Lust und Klang: so dichten hier die Menschen sich
selber und das Leben nach -- die älteste Tracht und
Sitte wandelt auferstanden neben junger -- der
fernste Wilde, der feinste wie der roheste Stand, das
spottende Zerrbild, alles was sich sonst nie berührt,
selber die verschiedenen Jahreszeiten und Religio¬
nen, alles Feindliche und Freundliche, wird in

ſogar der Koͤrper Muſik werde — wie der Menſch
fliege, und das Leben ſtehe — wie zwei Seelen
die Menge verlieren, und einſam wie Himmels¬
koͤrper in einem Aetherraum um ſich, und um die
Regel kreiſen — wie nur Seelen tanzen ſollten, die
ſich lieben, um in dieſem Kunſt-Schein harmo¬
niſcher Bewegung die geiſtige abzuſpiegeln. Als
ſie ſtanden, und er die Redoute mit ihrem tanzen¬
den Sturmlaufen uͤberſah, ſo ſagte er: „wie er¬
haben ſehen die Maͤntel und großen Huͤte der
Maͤnner aus, gleichſam die Felſenpartie neben
der weiblichen Gartenpartie! Ein Ball en masque
iſt vielleicht das Hoͤchſte, was der ſpielenden Poe¬
ſie das Leben nachzuſpielen vermag. Wie vor
dem Dichter alle Staͤnde und Zeiten gleich ſind,
und alles Aeußere nur Kleid iſt, alles Innere aber
Luſt und Klang: ſo dichten hier die Menſchen ſich
ſelber und das Leben nach — die aͤlteſte Tracht und
Sitte wandelt auferſtanden neben junger — der
fernſte Wilde, der feinſte wie der roheſte Stand, das
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[281/0287] ſogar der Koͤrper Muſik werde — wie der Menſch fliege, und das Leben ſtehe — wie zwei Seelen die Menge verlieren, und einſam wie Himmels¬ koͤrper in einem Aetherraum um ſich, und um die Regel kreiſen — wie nur Seelen tanzen ſollten, die ſich lieben, um in dieſem Kunſt-Schein harmo¬ niſcher Bewegung die geiſtige abzuſpiegeln. Als ſie ſtanden, und er die Redoute mit ihrem tanzen¬ den Sturmlaufen uͤberſah, ſo ſagte er: „wie er¬ haben ſehen die Maͤntel und großen Huͤte der Maͤnner aus, gleichſam die Felſenpartie neben der weiblichen Gartenpartie! Ein Ball en masque iſt vielleicht das Hoͤchſte, was der ſpielenden Poe¬ ſie das Leben nachzuſpielen vermag. Wie vor dem Dichter alle Staͤnde und Zeiten gleich ſind, und alles Aeußere nur Kleid iſt, alles Innere aber Luſt und Klang: ſo dichten hier die Menſchen ſich ſelber und das Leben nach — die aͤlteſte Tracht und Sitte wandelt auferſtanden neben junger — der fernſte Wilde, der feinſte wie der roheſte Stand, das ſpottende Zerrbild, alles was ſich ſonſt nie beruͤhrt, ſelber die verſchiedenen Jahreszeiten und Religio¬ nen, alles Feindliche und Freundliche, wird in

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/287>, abgerufen am 22.11.2024.