kappe, bis er sie nahe daran wieder in Masken¬ freiheit setzte. "O wie selig! (sagt' er leise) Und Sie sind die Mademoiselle Raphaela?" Beide nickten. "O was begehrt man denn noch in sol¬ cher geistertrunkenen Zeit, wenn man sich, verhüllt wie Geister ohne Körper, in elysischen Feldern wieder erkennt."
Ein Läufer tanzte daher, und nahm Raphae¬ la zum Tanzen davon: "Glück auf, H. Berg¬ knappe!" sagt' er entfliegend, daß Walt den El¬ saßer erkannte. Jetzt stand er eine Sekunde allein neben der ruhigen Jungfrau -- die Menge war einen Augenblick lang seine Maske -- Neu, rei¬ zend, drang aus der Halb-Larve wie aus der Blüten-Scheide einer gesenkten Knospe die halbe Rose und Lilie ihres Gesichts hervor. -- Wie aus¬ ländische Geister aus zwei fernen Weltabenden sahen sie einander hinter den dunkeln Larven an, gleichsam die Sterne in einer Sonnenfinsterniß, und jede Seele sah die andre weit entfernt, und wollte darum deutlicher seyn.
Da aber Walt in dieser Stellung Miene mach¬ te, als wollte er einige Jubiläen dieser schönen
kappe, bis er ſie nahe daran wieder in Masken¬ freiheit ſetzte. „O wie ſelig! (ſagt' er leiſe) Und Sie ſind die Mademoiselle Raphaela?“ Beide nickten. „O was begehrt man denn noch in ſol¬ cher geiſtertrunkenen Zeit, wenn man ſich, verhuͤllt wie Geiſter ohne Koͤrper, in elyſiſchen Feldern wieder erkennt.“
Ein Laͤufer tanzte daher, und nahm Raphae¬ la zum Tanzen davon: „Gluͤck auf, H. Berg¬ knappe!“ ſagt' er entfliegend, daß Walt den El¬ ſaßer erkannte. Jetzt ſtand er eine Sekunde allein neben der ruhigen Jungfrau — die Menge war einen Augenblick lang ſeine Maske — Neu, rei¬ zend, drang aus der Halb-Larve wie aus der Bluͤten-Scheide einer geſenkten Knoſpe die halbe Roſe und Lilie ihres Geſichts hervor. — Wie aus¬ laͤndiſche Geiſter aus zwei fernen Weltabenden ſahen ſie einander hinter den dunkeln Larven an, gleichſam die Sterne in einer Sonnenfinſterniß, und jede Seele ſah die andre weit entfernt, und wollte darum deutlicher ſeyn.
Da aber Walt in dieſer Stellung Miene mach¬ te, als wollte er einige Jubilaͤen dieſer ſchoͤnen
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kappe, bis er ſie nahe daran wieder in Masken¬
freiheit ſetzte. „O wie ſelig! (ſagt' er leiſe) Und
Sie ſind die Mademoiselle Raphaela?“ Beide
nickten. „O was begehrt man denn noch in ſol¬
cher geiſtertrunkenen Zeit, wenn man ſich, verhuͤllt
wie Geiſter ohne Koͤrper, in elyſiſchen Feldern
wieder erkennt.“
Ein Laͤufer tanzte daher, und nahm Raphae¬
la zum Tanzen davon: „Gluͤck auf, H. Berg¬
knappe!“ ſagt' er entfliegend, daß Walt den El¬
ſaßer erkannte. Jetzt ſtand er eine Sekunde allein
neben der ruhigen Jungfrau — die Menge war
einen Augenblick lang ſeine Maske — Neu, rei¬
zend, drang aus der Halb-Larve wie aus der
Bluͤten-Scheide einer geſenkten Knoſpe die halbe
Roſe und Lilie ihres Geſichts hervor. — Wie aus¬
laͤndiſche Geiſter aus zwei fernen Weltabenden ſahen
ſie einander hinter den dunkeln Larven an, gleichſam
die Sterne in einer Sonnenfinſterniß, und jede
Seele ſah die andre weit entfernt, und wollte
darum deutlicher ſeyn.
Da aber Walt in dieſer Stellung Miene mach¬
te, als wollte er einige Jubilaͤen dieſer ſchoͤnen
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/285>, abgerufen am 22.11.2024.
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