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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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chen Laute derselben nachsprach: so sank er auf
die Knie, unwissend ob zum Beten oder zum Lie¬
ben, und sah auf zu ihr, welche vom Mond, wie
eine obenherabgekommene Madonna umkleidet
wurde mit dem Nachglanze des Himmels. Sie
legte sanft die rechte Hand auf sein weichlockiges
Haupt; -- er hob seine beiden auf, und drückte
sie an seine Stirn; -- die Berührung lösete den
sanften Geist in Freudenfeuer auf, wie eine wei¬
che Blume in üppiger Sommernacht Blitze wirft
-- Freudenthränen, Freudenseufzer, Sterne und
Klänge, Himmel und Erde zerrannen in einan¬
der zu Einem Aethermeere, er hielt, ohne zu
wissen wie, ihre Linke an sein pochendes Herz ge¬
drückt, und der nahe Gesang schien ihm wie ei¬
nem Ohnmächtigen aus weiten Fernen herzu¬
wehen.

Die Flöte stand ganz nahe, das letzte Wort
wurde gesungen. Wina zog ihn sanft von der
Erde auf; er glaubte noch immer, es töne um
ihn. Da kam mit freudigem Ungestüm Ra¬
phaela hineingestürzt, an die Brust der Geberin
des schönsten Morgens. Wina erschrack nicht,

chen Laute derſelben nachſprach: ſo ſank er auf
die Knie, unwiſſend ob zum Beten oder zum Lie¬
ben, und ſah auf zu ihr, welche vom Mond, wie
eine obenherabgekommene Madonna umkleidet
wurde mit dem Nachglanze des Himmels. Sie
legte ſanft die rechte Hand auf ſein weichlockiges
Haupt; — er hob ſeine beiden auf, und druͤckte
ſie an ſeine Stirn; — die Beruͤhrung loͤſete den
ſanften Geiſt in Freudenfeuer auf, wie eine wei¬
che Blume in uͤppiger Sommernacht Blitze wirft
— Freudenthraͤnen, Freudenſeufzer, Sterne und
Klaͤnge, Himmel und Erde zerrannen in einan¬
der zu Einem Aethermeere, er hielt, ohne zu
wiſſen wie, ihre Linke an ſein pochendes Herz ge¬
druͤckt, und der nahe Geſang ſchien ihm wie ei¬
nem Ohnmaͤchtigen aus weiten Fernen herzu¬
wehen.

Die Floͤte ſtand ganz nahe, das letzte Wort
wurde geſungen. Wina zog ihn ſanft von der
Erde auf; er glaubte noch immer, es toͤne um
ihn. Da kam mit freudigem Ungeſtuͤm Ra¬
phaela hineingeſtuͤrzt, an die Bruſt der Geberin
des ſchoͤnſten Morgens. Wina erſchrack nicht,

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[258/0264] chen Laute derſelben nachſprach: ſo ſank er auf die Knie, unwiſſend ob zum Beten oder zum Lie¬ ben, und ſah auf zu ihr, welche vom Mond, wie eine obenherabgekommene Madonna umkleidet wurde mit dem Nachglanze des Himmels. Sie legte ſanft die rechte Hand auf ſein weichlockiges Haupt; — er hob ſeine beiden auf, und druͤckte ſie an ſeine Stirn; — die Beruͤhrung loͤſete den ſanften Geiſt in Freudenfeuer auf, wie eine wei¬ che Blume in uͤppiger Sommernacht Blitze wirft — Freudenthraͤnen, Freudenſeufzer, Sterne und Klaͤnge, Himmel und Erde zerrannen in einan¬ der zu Einem Aethermeere, er hielt, ohne zu wiſſen wie, ihre Linke an ſein pochendes Herz ge¬ druͤckt, und der nahe Geſang ſchien ihm wie ei¬ nem Ohnmaͤchtigen aus weiten Fernen herzu¬ wehen. Die Floͤte ſtand ganz nahe, das letzte Wort wurde geſungen. Wina zog ihn ſanft von der Erde auf; er glaubte noch immer, es toͤne um ihn. Da kam mit freudigem Ungeſtuͤm Ra¬ phaela hineingeſtuͤrzt, an die Bruſt der Geberin des ſchoͤnſten Morgens. Wina erſchrack nicht,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/264>, abgerufen am 22.07.2024.