chen Laute derselben nachsprach: so sank er auf die Knie, unwissend ob zum Beten oder zum Lie¬ ben, und sah auf zu ihr, welche vom Mond, wie eine obenherabgekommene Madonna umkleidet wurde mit dem Nachglanze des Himmels. Sie legte sanft die rechte Hand auf sein weichlockiges Haupt; -- er hob seine beiden auf, und drückte sie an seine Stirn; -- die Berührung lösete den sanften Geist in Freudenfeuer auf, wie eine wei¬ che Blume in üppiger Sommernacht Blitze wirft -- Freudenthränen, Freudenseufzer, Sterne und Klänge, Himmel und Erde zerrannen in einan¬ der zu Einem Aethermeere, er hielt, ohne zu wissen wie, ihre Linke an sein pochendes Herz ge¬ drückt, und der nahe Gesang schien ihm wie ei¬ nem Ohnmächtigen aus weiten Fernen herzu¬ wehen.
Die Flöte stand ganz nahe, das letzte Wort wurde gesungen. Wina zog ihn sanft von der Erde auf; er glaubte noch immer, es töne um ihn. Da kam mit freudigem Ungestüm Ra¬ phaela hineingestürzt, an die Brust der Geberin des schönsten Morgens. Wina erschrack nicht,
chen Laute derſelben nachſprach: ſo ſank er auf die Knie, unwiſſend ob zum Beten oder zum Lie¬ ben, und ſah auf zu ihr, welche vom Mond, wie eine obenherabgekommene Madonna umkleidet wurde mit dem Nachglanze des Himmels. Sie legte ſanft die rechte Hand auf ſein weichlockiges Haupt; — er hob ſeine beiden auf, und druͤckte ſie an ſeine Stirn; — die Beruͤhrung loͤſete den ſanften Geiſt in Freudenfeuer auf, wie eine wei¬ che Blume in uͤppiger Sommernacht Blitze wirft — Freudenthraͤnen, Freudenſeufzer, Sterne und Klaͤnge, Himmel und Erde zerrannen in einan¬ der zu Einem Aethermeere, er hielt, ohne zu wiſſen wie, ihre Linke an ſein pochendes Herz ge¬ druͤckt, und der nahe Geſang ſchien ihm wie ei¬ nem Ohnmaͤchtigen aus weiten Fernen herzu¬ wehen.
Die Floͤte ſtand ganz nahe, das letzte Wort wurde geſungen. Wina zog ihn ſanft von der Erde auf; er glaubte noch immer, es toͤne um ihn. Da kam mit freudigem Ungeſtuͤm Ra¬ phaela hineingeſtuͤrzt, an die Bruſt der Geberin des ſchoͤnſten Morgens. Wina erſchrack nicht,
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chen Laute derſelben nachſprach: ſo ſank er auf
die Knie, unwiſſend ob zum Beten oder zum Lie¬
ben, und ſah auf zu ihr, welche vom Mond, wie
eine obenherabgekommene Madonna umkleidet
wurde mit dem Nachglanze des Himmels. Sie
legte ſanft die rechte Hand auf ſein weichlockiges
Haupt; — er hob ſeine beiden auf, und druͤckte
ſie an ſeine Stirn; — die Beruͤhrung loͤſete den
ſanften Geiſt in Freudenfeuer auf, wie eine wei¬
che Blume in uͤppiger Sommernacht Blitze wirft
— Freudenthraͤnen, Freudenſeufzer, Sterne und
Klaͤnge, Himmel und Erde zerrannen in einan¬
der zu Einem Aethermeere, er hielt, ohne zu
wiſſen wie, ihre Linke an ſein pochendes Herz ge¬
druͤckt, und der nahe Geſang ſchien ihm wie ei¬
nem Ohnmaͤchtigen aus weiten Fernen herzu¬
wehen.
Die Floͤte ſtand ganz nahe, das letzte Wort
wurde geſungen. Wina zog ihn ſanft von der
Erde auf; er glaubte noch immer, es toͤne um
ihn. Da kam mit freudigem Ungeſtuͤm Ra¬
phaela hineingeſtuͤrzt, an die Bruſt der Geberin
des ſchoͤnſten Morgens. Wina erſchrack nicht,
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/264>, abgerufen am 22.11.2024.
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