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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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nicht die geringste Verzeihung, sondern Dank.
Eine andere, aber richtigere Verwechslung denk' ich
mir eher -- (Wina sah ihn scharf an). Denn
ich und er haben ein paar gegenseitige Zwillings-
Geheimnisse des Lebens, die ich niemand in der
Welt entdecke -- außer Ihnen, denn ich vertraue
Ihnen." -- "Ich wünsche nichts zu wissen, was
Ihr Freund nicht gern erlaubt," versetzte sie.

Jetzt sprang er, weil das Entdeckungs-Ge¬
spräch viel zu lange Wendungen nahm, und er
vergeblich auf langsamere Schritte sann, um ihr
näher zu kommen, plötzlich vor eine Linde, und
las davon folgende Tafelschrift von Raphaelen
ab. "Noch im Mondenschimmer tönen Bienen in
den Blüten hier, und saugen Honig auf; du
schlummerst schon, Freundin, und ich ruh' hier,
und denk' an dich, aber träumst du, wer dich liebt?

"Eilen wir nur, sagte sie. Wie köstlich ist
Ihr Auge wieder hergestellt!" -- "Ich nehme
auch alles lieber von Amor an, besonders die
Giftpfeile, als die Binde; ich sah Sie stets,
verehrte Wina, wer dabei von uns beiden am
meisten gewinnt, das weiß nicht ich, sondern
Sie, sagte er mit feiner Miene.

nicht die geringſte Verzeihung, ſondern Dank.
Eine andere, aber richtigere Verwechslung denk' ich
mir eher — (Wina ſah ihn ſcharf an). Denn
ich und er haben ein paar gegenſeitige Zwillings-
Geheimniſſe des Lebens, die ich niemand in der
Welt entdecke — außer Ihnen, denn ich vertraue
Ihnen.“ — „Ich wuͤnſche nichts zu wiſſen, was
Ihr Freund nicht gern erlaubt,“ verſetzte ſie.

Jetzt ſprang er, weil das Entdeckungs-Ge¬
ſpraͤch viel zu lange Wendungen nahm, und er
vergeblich auf langſamere Schritte ſann, um ihr
naͤher zu kommen, ploͤtzlich vor eine Linde, und
las davon folgende Tafelſchrift von Raphaelen
ab. „Noch im Mondenſchimmer toͤnen Bienen in
den Bluͤten hier, und ſaugen Honig auf; du
ſchlummerſt ſchon, Freundin, und ich ruh' hier,
und denk' an dich, aber traͤumſt du, wer dich liebt?

„Eilen wir nur, ſagte ſie. Wie koͤſtlich iſt
Ihr Auge wieder hergeſtellt!“ — „Ich nehme
auch alles lieber von Amor an, beſonders die
Giftpfeile, als die Binde; ich ſah Sie ſtets,
verehrte Wina, wer dabei von uns beiden am
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[253/0259] nicht die geringſte Verzeihung, ſondern Dank. Eine andere, aber richtigere Verwechslung denk' ich mir eher — (Wina ſah ihn ſcharf an). Denn ich und er haben ein paar gegenſeitige Zwillings- Geheimniſſe des Lebens, die ich niemand in der Welt entdecke — außer Ihnen, denn ich vertraue Ihnen.“ — „Ich wuͤnſche nichts zu wiſſen, was Ihr Freund nicht gern erlaubt,“ verſetzte ſie. Jetzt ſprang er, weil das Entdeckungs-Ge¬ ſpraͤch viel zu lange Wendungen nahm, und er vergeblich auf langſamere Schritte ſann, um ihr naͤher zu kommen, ploͤtzlich vor eine Linde, und las davon folgende Tafelſchrift von Raphaelen ab. „Noch im Mondenſchimmer toͤnen Bienen in den Bluͤten hier, und ſaugen Honig auf; du ſchlummerſt ſchon, Freundin, und ich ruh' hier, und denk' an dich, aber traͤumſt du, wer dich liebt? „Eilen wir nur, ſagte ſie. Wie koͤſtlich iſt Ihr Auge wieder hergeſtellt!“ — „Ich nehme auch alles lieber von Amor an, beſonders die Giftpfeile, als die Binde; ich ſah Sie ſtets, verehrte Wina, wer dabei von uns beiden am meiſten gewinnt, das weiß nicht ich, ſondern Sie, ſagte er mit feiner Miene.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/259>, abgerufen am 22.11.2024.