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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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ohne es zu merken --; darauf sagt' er: "ich ha¬
be wohl den Vers gemacht." --

"Sie, Lieber -- fragte Wina und nahm
seine Hand -- und alle Polymeter?" -- "Alle,"
lispelte er. Da blühte sie wie das Morgenroth,
das die Sonne verspricht, und er wie die Rose,
die schon von ihr erbrochen ist. Aber einander
verborgen hinter den froher nachquellenden Thrä¬
nen glichen sie zwei Tönen, die unsichtbar zu
Einem Wohllaut zittern, sie waren zwei gesenkte
Maienblümchen, einander durch fremdes Früh¬
lingswehen mehr nachbewegt als angenähert.

Jetzt hörte sie den Vaterstritt. "Und Sie
machen den Text für den Geburtstag?" sagte
sie. -- "O! (versetzte er) -- Ja, ja!" und
durfte nicht fort reden, weil Zablocki eintrat und
mit dem Väter- und Gatten-Schnauben ihr den
arbeitsamen Verzug vorrückte, da sie, wie er
sagte, wisse, daß die Neupeters -- dahin fuhr
er mit ihr -- Bürgerliche wären, und eh' er sol¬
che im Kleinsten manquire, komm' er lieber bei
Seines gleichen um Stunden zu spät. Sie floh
dahin; er rief sie aber zurück, um selber mit

ohne es zu merken —; darauf ſagt' er: „ich ha¬
be wohl den Vers gemacht.“ —

„Sie, Lieber — fragte Wina und nahm
ſeine Hand — und alle Polymeter?“ — „Alle,“
liſpelte er. Da bluͤhte ſie wie das Morgenroth,
das die Sonne verſpricht, und er wie die Roſe,
die ſchon von ihr erbrochen iſt. Aber einander
verborgen hinter den froher nachquellenden Thraͤ¬
nen glichen ſie zwei Toͤnen, die unſichtbar zu
Einem Wohllaut zittern, ſie waren zwei geſenkte
Maienbluͤmchen, einander durch fremdes Fruͤh¬
lingswehen mehr nachbewegt als angenaͤhert.

Jetzt hoͤrte ſie den Vaterſtritt. „Und Sie
machen den Text fuͤr den Geburtstag?“ ſagte
ſie. — „O! (verſetzte er) — Ja, ja!“ und
durfte nicht fort reden, weil Zablocki eintrat und
mit dem Vaͤter- und Gatten-Schnauben ihr den
arbeitſamen Verzug vorruͤckte, da ſie, wie er
ſagte, wiſſe, daß die Neupeters — dahin fuhr
er mit ihr — Buͤrgerliche waͤren, und eh' er ſol¬
che im Kleinſten manquire, komm' er lieber bei
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[217/0223] ohne es zu merken —; darauf ſagt' er: „ich ha¬ be wohl den Vers gemacht.“ — „Sie, Lieber — fragte Wina und nahm ſeine Hand — und alle Polymeter?“ — „Alle,“ liſpelte er. Da bluͤhte ſie wie das Morgenroth, das die Sonne verſpricht, und er wie die Roſe, die ſchon von ihr erbrochen iſt. Aber einander verborgen hinter den froher nachquellenden Thraͤ¬ nen glichen ſie zwei Toͤnen, die unſichtbar zu Einem Wohllaut zittern, ſie waren zwei geſenkte Maienbluͤmchen, einander durch fremdes Fruͤh¬ lingswehen mehr nachbewegt als angenaͤhert. Jetzt hoͤrte ſie den Vaterſtritt. „Und Sie machen den Text fuͤr den Geburtstag?“ ſagte ſie. — „O! (verſetzte er) — Ja, ja!“ und durfte nicht fort reden, weil Zablocki eintrat und mit dem Vaͤter- und Gatten-Schnauben ihr den arbeitſamen Verzug vorruͤckte, da ſie, wie er ſagte, wiſſe, daß die Neupeters — dahin fuhr er mit ihr — Buͤrgerliche waͤren, und eh' er ſol¬ che im Kleinſten manquire, komm' er lieber bei Seines gleichen um Stunden zu ſpaͤt. Sie floh dahin; er rief ſie aber zuruͤck, um ſelber mit

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/223>, abgerufen am 09.11.2024.