ohne es zu merken --; darauf sagt' er: "ich ha¬ be wohl den Vers gemacht." --
"Sie, Lieber -- fragte Wina und nahm seine Hand -- und alle Polymeter?" -- "Alle," lispelte er. Da blühte sie wie das Morgenroth, das die Sonne verspricht, und er wie die Rose, die schon von ihr erbrochen ist. Aber einander verborgen hinter den froher nachquellenden Thrä¬ nen glichen sie zwei Tönen, die unsichtbar zu Einem Wohllaut zittern, sie waren zwei gesenkte Maienblümchen, einander durch fremdes Früh¬ lingswehen mehr nachbewegt als angenähert.
Jetzt hörte sie den Vaterstritt. "Und Sie machen den Text für den Geburtstag?" sagte sie. -- "O! (versetzte er) -- Ja, ja!" und durfte nicht fort reden, weil Zablocki eintrat und mit dem Väter- und Gatten-Schnauben ihr den arbeitsamen Verzug vorrückte, da sie, wie er sagte, wisse, daß die Neupeters -- dahin fuhr er mit ihr -- Bürgerliche wären, und eh' er sol¬ che im Kleinsten manquire, komm' er lieber bei Seines gleichen um Stunden zu spät. Sie floh dahin; er rief sie aber zurück, um selber mit
ohne es zu merken —; darauf ſagt' er: „ich ha¬ be wohl den Vers gemacht.“ —
„Sie, Lieber — fragte Wina und nahm ſeine Hand — und alle Polymeter?“ — „Alle,“ liſpelte er. Da bluͤhte ſie wie das Morgenroth, das die Sonne verſpricht, und er wie die Roſe, die ſchon von ihr erbrochen iſt. Aber einander verborgen hinter den froher nachquellenden Thraͤ¬ nen glichen ſie zwei Toͤnen, die unſichtbar zu Einem Wohllaut zittern, ſie waren zwei geſenkte Maienbluͤmchen, einander durch fremdes Fruͤh¬ lingswehen mehr nachbewegt als angenaͤhert.
Jetzt hoͤrte ſie den Vaterſtritt. „Und Sie machen den Text fuͤr den Geburtstag?“ ſagte ſie. — „O! (verſetzte er) — Ja, ja!“ und durfte nicht fort reden, weil Zablocki eintrat und mit dem Vaͤter- und Gatten-Schnauben ihr den arbeitſamen Verzug vorruͤckte, da ſie, wie er ſagte, wiſſe, daß die Neupeters — dahin fuhr er mit ihr — Buͤrgerliche waͤren, und eh' er ſol¬ che im Kleinſten manquire, komm' er lieber bei Seines gleichen um Stunden zu ſpaͤt. Sie floh dahin; er rief ſie aber zuruͤck, um ſelber mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0223"n="217"/>
ohne es zu merken —; darauf ſagt' er: „ich ha¬<lb/>
be wohl den Vers gemacht.“—</p><lb/><p>„Sie, Lieber — fragte Wina und nahm<lb/>ſeine Hand — und alle Polymeter?“—„Alle,“<lb/>
liſpelte er. Da bluͤhte ſie wie das Morgenroth,<lb/>
das die Sonne verſpricht, und er wie die Roſe,<lb/>
die ſchon von ihr erbrochen iſt. Aber einander<lb/>
verborgen hinter den froher nachquellenden Thraͤ¬<lb/>
nen glichen ſie zwei Toͤnen, die unſichtbar zu<lb/>
Einem Wohllaut zittern, ſie waren zwei geſenkte<lb/>
Maienbluͤmchen, einander durch fremdes Fruͤh¬<lb/>
lingswehen mehr nachbewegt als angenaͤhert.</p><lb/><p>Jetzt hoͤrte ſie den Vaterſtritt. „Und Sie<lb/>
machen den Text fuͤr den Geburtstag?“ſagte<lb/>ſie. —„O! (verſetzte er) — Ja, ja!“ und<lb/>
durfte nicht fort reden, weil Zablocki eintrat und<lb/>
mit dem Vaͤter- und Gatten-Schnauben ihr den<lb/>
arbeitſamen Verzug vorruͤckte, da ſie, wie er<lb/>ſagte, wiſſe, daß die Neupeters — dahin fuhr<lb/>
er mit ihr — Buͤrgerliche waͤren, und eh' er ſol¬<lb/>
che im Kleinſten manquire, komm' er lieber bei<lb/>
Seines gleichen um Stunden zu ſpaͤt. Sie floh<lb/>
dahin; er rief ſie aber zuruͤck, um ſelber mit<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[217/0223]
ohne es zu merken —; darauf ſagt' er: „ich ha¬
be wohl den Vers gemacht.“ —
„Sie, Lieber — fragte Wina und nahm
ſeine Hand — und alle Polymeter?“ — „Alle,“
liſpelte er. Da bluͤhte ſie wie das Morgenroth,
das die Sonne verſpricht, und er wie die Roſe,
die ſchon von ihr erbrochen iſt. Aber einander
verborgen hinter den froher nachquellenden Thraͤ¬
nen glichen ſie zwei Toͤnen, die unſichtbar zu
Einem Wohllaut zittern, ſie waren zwei geſenkte
Maienbluͤmchen, einander durch fremdes Fruͤh¬
lingswehen mehr nachbewegt als angenaͤhert.
Jetzt hoͤrte ſie den Vaterſtritt. „Und Sie
machen den Text fuͤr den Geburtstag?“ ſagte
ſie. — „O! (verſetzte er) — Ja, ja!“ und
durfte nicht fort reden, weil Zablocki eintrat und
mit dem Vaͤter- und Gatten-Schnauben ihr den
arbeitſamen Verzug vorruͤckte, da ſie, wie er
ſagte, wiſſe, daß die Neupeters — dahin fuhr
er mit ihr — Buͤrgerliche waͤren, und eh' er ſol¬
che im Kleinſten manquire, komm' er lieber bei
Seines gleichen um Stunden zu ſpaͤt. Sie floh
dahin; er rief ſie aber zuruͤck, um ſelber mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/223>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.