roth, er sah sein und Wina's Herz gleichsam ge¬ gen das helle freie Tagslicht gehalten. "Nu, nu, versteige dich nur um drei Treppen hinauf, oder hinab; indeß ich daheim hinter meiner arka¬ dischen Dorfwand ein Madrigal auf den Schmelz der Auen und der Zähne setze, und Blumen und Lippen röthe. Das Mädchen gefiele mir selber, sie sollte eher ein Pallast- als ein Kammermäd¬ chen seyn." Sehr zornroth erwiederte Walt, der endlich eigne und fremde Verwechslung errieth: "du thust gar nicht Recht, da du weißt, wie mir dieses Mädchen bei der besten Singstimme einmal durch unziemliche Reden aufgefallen."
Damit ging er so rasch und wild fort, daß Vult sich gestand, er würde, wenn er nicht schon früher dessen Liebe für eine vornehmere Raphaela kennte, sie jetzt aus dem Grimm errathen, den bloße Heiligkeit unmöglich einbliese. Als der No¬ tar in den großen Zablockischen Pallast, wovor und worin viele leere Wagen standen, und unter die kalte Dienerschaft kam: so wirkten Vults Scherze, die seine Liebe entweder wie Schießpul¬ ver unter das Dach, oder wie Oehl in den Keller
roth, er ſah ſein und Wina's Herz gleichſam ge¬ gen das helle freie Tagslicht gehalten. „Nu, nu, verſteige dich nur um drei Treppen hinauf, oder hinab; indeß ich daheim hinter meiner arka¬ diſchen Dorfwand ein Madrigal auf den Schmelz der Auen und der Zaͤhne ſetze, und Blumen und Lippen roͤthe. Das Maͤdchen gefiele mir ſelber, ſie ſollte eher ein Pallaſt- als ein Kammermaͤd¬ chen ſeyn.“ Sehr zornroth erwiederte Walt, der endlich eigne und fremde Verwechslung errieth: „du thuſt gar nicht Recht, da du weißt, wie mir dieſes Maͤdchen bei der beſten Singſtimme einmal durch unziemliche Reden aufgefallen.“
Damit ging er ſo raſch und wild fort, daß Vult ſich geſtand, er wuͤrde, wenn er nicht ſchon fruͤher deſſen Liebe fuͤr eine vornehmere Raphaela kennte, ſie jetzt aus dem Grimm errathen, den bloße Heiligkeit unmoͤglich einblieſe. Als der No¬ tar in den großen Zablockiſchen Pallaſt, wovor und worin viele leere Wagen ſtanden, und unter die kalte Dienerſchaft kam: ſo wirkten Vults Scherze, die ſeine Liebe entweder wie Schießpul¬ ver unter das Dach, oder wie Oehl in den Keller
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[201/0207]
roth, er ſah ſein und Wina's Herz gleichſam ge¬
gen das helle freie Tagslicht gehalten. „Nu,
nu, verſteige dich nur um drei Treppen hinauf,
oder hinab; indeß ich daheim hinter meiner arka¬
diſchen Dorfwand ein Madrigal auf den Schmelz
der Auen und der Zaͤhne ſetze, und Blumen und
Lippen roͤthe. Das Maͤdchen gefiele mir ſelber,
ſie ſollte eher ein Pallaſt- als ein Kammermaͤd¬
chen ſeyn.“ Sehr zornroth erwiederte Walt, der
endlich eigne und fremde Verwechslung errieth:
„du thuſt gar nicht Recht, da du weißt, wie mir
dieſes Maͤdchen bei der beſten Singſtimme einmal
durch unziemliche Reden aufgefallen.“
Damit ging er ſo raſch und wild fort, daß
Vult ſich geſtand, er wuͤrde, wenn er nicht ſchon
fruͤher deſſen Liebe fuͤr eine vornehmere Raphaela
kennte, ſie jetzt aus dem Grimm errathen, den
bloße Heiligkeit unmoͤglich einblieſe. Als der No¬
tar in den großen Zablockiſchen Pallaſt, wovor
und worin viele leere Wagen ſtanden, und unter
die kalte Dienerſchaft kam: ſo wirkten Vults
Scherze, die ſeine Liebe entweder wie Schießpul¬
ver unter das Dach, oder wie Oehl in den Keller
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/207>, abgerufen am 27.11.2024.
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