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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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sogar die kleinen Viehhirten endlich im Sonntags¬
putz, und dem Wirthshause fehlte nichts als Mu¬
sik und auf dem Schloße wurde gesungen?

"Und nahm mich nicht, fuhr Vult fort,
der gute Vater, als er mich in dieser Freude als
Theilhaber fand, leise bei den Haaren mit nach
Hause und prügelte mich so verflucht? -- O daß
doch der Teufel alle Erziehungen holte, so wie er
selber keine erhalten! Wer nimmt mir jetzt die
Fest-Prügel ab und den Karzer? Du kannst dich
leicht herstellen und entsinnen und vergnügt außer
dir seyn und die Repetiruhr der Erinnerung aus
der Tasche ziehen. Aber Hölle, was hab' ich denn
schmelzend mich zu erinnern als an die lausige
Aurora eines aufgehenden Schwanzsterns? O wie
glücklich, glücklich könnte man ein Kind machen!
Dieß probire aber einmal einer bei einem greisen
Schelm von 40 Jahren! Ein einziger Kindertag
hat mehr Abwechsel als ein ganzes Manns-Jahr.
Sieh an, wie er mich, wenn das kühne Bild zu ge¬
brauchen ist, aus einem zarten weißen Kindsge¬
sicht so zu einem braunen Kopfe geraucht und er¬

hitzt

ſogar die kleinen Viehhirten endlich im Sonntags¬
putz, und dem Wirthshauſe fehlte nichts als Mu¬
ſik und auf dem Schloße wurde geſungen?

„Und nahm mich nicht, fuhr Vult fort,
der gute Vater, als er mich in dieſer Freude als
Theilhaber fand, leiſe bei den Haaren mit nach
Hauſe und pruͤgelte mich ſo verflucht? — O daß
doch der Teufel alle Erziehungen holte, ſo wie er
ſelber keine erhalten! Wer nimmt mir jetzt die
Feſt-Pruͤgel ab und den Karzer? Du kannſt dich
leicht herſtellen und entſinnen und vergnuͤgt außer
dir ſeyn und die Repetiruhr der Erinnerung aus
der Taſche ziehen. Aber Hoͤlle, was hab' ich denn
ſchmelzend mich zu erinnern als an die lauſige
Aurora eines aufgehenden Schwanzſterns? O wie
gluͤcklich, gluͤcklich koͤnnte man ein Kind machen!
Dieß probire aber einmal einer bei einem greiſen
Schelm von 40 Jahren! Ein einziger Kindertag
hat mehr Abwechſel als ein ganzes Manns-Jahr.
Sieh an, wie er mich, wenn das kuͤhne Bild zu ge¬
brauchen iſt, aus einem zarten weißen Kindsge¬
ſicht ſo zu einem braunen Kopfe geraucht und er¬

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[192/0198] ſogar die kleinen Viehhirten endlich im Sonntags¬ putz, und dem Wirthshauſe fehlte nichts als Mu¬ ſik und auf dem Schloße wurde geſungen? „Und nahm mich nicht, fuhr Vult fort, der gute Vater, als er mich in dieſer Freude als Theilhaber fand, leiſe bei den Haaren mit nach Hauſe und pruͤgelte mich ſo verflucht? — O daß doch der Teufel alle Erziehungen holte, ſo wie er ſelber keine erhalten! Wer nimmt mir jetzt die Feſt-Pruͤgel ab und den Karzer? Du kannſt dich leicht herſtellen und entſinnen und vergnuͤgt außer dir ſeyn und die Repetiruhr der Erinnerung aus der Taſche ziehen. Aber Hoͤlle, was hab' ich denn ſchmelzend mich zu erinnern als an die lauſige Aurora eines aufgehenden Schwanzſterns? O wie gluͤcklich, gluͤcklich koͤnnte man ein Kind machen! Dieß probire aber einmal einer bei einem greiſen Schelm von 40 Jahren! Ein einziger Kindertag hat mehr Abwechſel als ein ganzes Manns-Jahr. Sieh an, wie er mich, wenn das kuͤhne Bild zu ge¬ brauchen iſt, aus einem zarten weißen Kindsge¬ ſicht ſo zu einem braunen Kopfe geraucht und er¬ hitzt

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/198>, abgerufen am 27.11.2024.