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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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Blick und ein erinnerter! Kaum das Alpenrös¬
chen ist er, das der Mensch von der höchsten Stelle
seines Lebens herunter bringt. Aber doch hält
der Mensch unter der Masse von Massen und
Weltkugeln sich gern an die kleine, die ein Augen¬
lied bedeckt, an einen verhauchten, kaum entstan¬
denen Blick -- und auf dem himmlischen Nichts
ruht sein Paradies mit allen Bäumen fest! So
sind Geister; denn da die Unsichtbarkeit ihre Welt
ist, so ist ein Nichts leicht ihre Sichtbarkeit!

Am Morgen lag Sonnenschein und Seligkeit
um ihn her. Alle Blüten zu Zankäpfeln waren
abgefallen. Die Morgenstunde hat Gold, aber
das reinste, im Mund; die Sonne scheidet das
in Schlacken vererzte Gemüth; das finstere Ueber¬
maß, besonders des Hasses, hört auf. Walt sah
sich um im Morgenlicht, fand sich wie von einem
Arm aus den Wolken durch alle übereinander ste¬
henden Wolken des Lebens durchgehoben ins Blau
-- Wer liebt, vergiebt, wenigstens den Rest dem
Rest; er fragte sich, wie er denn gestern, gerade
am Heimkehr-Feste, so gegen den armen Bruder
aufbrausen können.

Blick und ein erinnerter! Kaum das Alpenroͤs¬
chen iſt er, das der Menſch von der hoͤchſten Stelle
ſeines Lebens herunter bringt. Aber doch haͤlt
der Menſch unter der Maſſe von Maſſen und
Weltkugeln ſich gern an die kleine, die ein Augen¬
lied bedeckt, an einen verhauchten, kaum entſtan¬
denen Blick — und auf dem himmliſchen Nichts
ruht ſein Paradies mit allen Baͤumen feſt! So
ſind Geiſter; denn da die Unſichtbarkeit ihre Welt
iſt, ſo iſt ein Nichts leicht ihre Sichtbarkeit!

Am Morgen lag Sonnenſchein und Seligkeit
um ihn her. Alle Bluͤten zu Zankaͤpfeln waren
abgefallen. Die Morgenſtunde hat Gold, aber
das reinſte, im Mund; die Sonne ſcheidet das
in Schlacken vererzte Gemuͤth; das finſtere Ueber¬
maß, beſonders des Haſſes, hoͤrt auf. Walt ſah
ſich um im Morgenlicht, fand ſich wie von einem
Arm aus den Wolken durch alle uͤbereinander ſte¬
henden Wolken des Lebens durchgehoben ins Blau
— Wer liebt, vergiebt, wenigſtens den Reſt dem
Reſt; er fragte ſich, wie er denn geſtern, gerade
am Heimkehr-Feſte, ſo gegen den armen Bruder
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[12/0018] Blick und ein erinnerter! Kaum das Alpenroͤs¬ chen iſt er, das der Menſch von der hoͤchſten Stelle ſeines Lebens herunter bringt. Aber doch haͤlt der Menſch unter der Maſſe von Maſſen und Weltkugeln ſich gern an die kleine, die ein Augen¬ lied bedeckt, an einen verhauchten, kaum entſtan¬ denen Blick — und auf dem himmliſchen Nichts ruht ſein Paradies mit allen Baͤumen feſt! So ſind Geiſter; denn da die Unſichtbarkeit ihre Welt iſt, ſo iſt ein Nichts leicht ihre Sichtbarkeit! Am Morgen lag Sonnenſchein und Seligkeit um ihn her. Alle Bluͤten zu Zankaͤpfeln waren abgefallen. Die Morgenſtunde hat Gold, aber das reinſte, im Mund; die Sonne ſcheidet das in Schlacken vererzte Gemuͤth; das finſtere Ueber¬ maß, beſonders des Haſſes, hoͤrt auf. Walt ſah ſich um im Morgenlicht, fand ſich wie von einem Arm aus den Wolken durch alle uͤbereinander ſte¬ henden Wolken des Lebens durchgehoben ins Blau — Wer liebt, vergiebt, wenigſtens den Reſt dem Reſt; er fragte ſich, wie er denn geſtern, gerade am Heimkehr-Feſte, ſo gegen den armen Bruder aufbrauſen koͤnnen.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/18>, abgerufen am 11.12.2024.