Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich betete oft ein leises Vater unser, damit Gott
ihn einen Finken, wenn er hinter seinem Kloben
lauerte, darauf fangen ließe; und du wirst dich
erinnern, daß ich stets die Schlachtschüssel mit
Fleisch (du aber nur den Suppentopf) zu ihm
trug. Wie ich mich auf das nächste Wiedersehen
in der Schule freuete!"

"Wer mich hart gegen den Schulmeister fin¬
det, sagte Vult, dem halt' ich blos vor, daß mir
der Schulmann einmal eine angerauchte Pfeife
abpfändete und sie in derselben Schulstunde öffent¬
lich vor meiner Nase gar ausrauchte. Heißt dieß
exemplarischer Lebenswandel von Schulmeistern?
Oder etwa dieß, daß sie Fischchen-Fangen und
Vögel-Stellen uns Scholaren sprichwörtlich ver¬
bieten wie Fürsten die Wagspiele, sich aber selber
erlauben? Darüber möcht' ich einmal Männer in
öffentlichen Blättern hören." --

"O die liebe erste Schulzeit! Mir war alles
erwünscht, was gelehrt und geboten wurde, die
kleinste Wissenschaft war ja ganz voll Neuigkeiten,
indeß ihr jetzt in Messen nur einige nachwachsen.
Kam nun vollends der Pfarrer mit den großen

Ich betete oft ein leiſes Vater unſer, damit Gott
ihn einen Finken, wenn er hinter ſeinem Kloben
lauerte, darauf fangen ließe; und du wirſt dich
erinnern, daß ich ſtets die Schlachtſchuͤſſel mit
Fleiſch (du aber nur den Suppentopf) zu ihm
trug. Wie ich mich auf das naͤchſte Wiederſehen
in der Schule freuete!“

„Wer mich hart gegen den Schulmeiſter fin¬
det, ſagte Vult, dem halt' ich blos vor, daß mir
der Schulmann einmal eine angerauchte Pfeife
abpfaͤndete und ſie in derſelben Schulſtunde oͤffent¬
lich vor meiner Naſe gar ausrauchte. Heißt dieß
exemplariſcher Lebenswandel von Schulmeiſtern?
Oder etwa dieß, daß ſie Fiſchchen-Fangen und
Voͤgel-Stellen uns Scholaren ſprichwoͤrtlich ver¬
bieten wie Fuͤrſten die Wagſpiele, ſich aber ſelber
erlauben? Daruͤber moͤcht' ich einmal Maͤnner in
oͤffentlichen Blaͤttern hoͤren.“ —

„O die liebe erſte Schulzeit! Mir war alles
erwuͤnſcht, was gelehrt und geboten wurde, die
kleinſte Wiſſenſchaft war ja ganz voll Neuigkeiten,
indeß ihr jetzt in Meſſen nur einige nachwachſen.
Kam nun vollends der Pfarrer mit den großen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="170"/>
Ich betete oft ein lei&#x017F;es Vater un&#x017F;er, damit Gott<lb/>
ihn einen Finken, wenn er hinter &#x017F;einem Kloben<lb/>
lauerte, darauf fangen ließe; und du wir&#x017F;t dich<lb/>
erinnern, daß ich &#x017F;tets die Schlacht&#x017F;chu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el mit<lb/>
Flei&#x017F;ch (du aber nur den Suppentopf) zu ihm<lb/>
trug. Wie ich mich auf das na&#x0364;ch&#x017F;te Wieder&#x017F;ehen<lb/>
in der Schule freuete!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer mich hart gegen den Schulmei&#x017F;ter fin¬<lb/>
det, &#x017F;agte Vult, dem halt' ich blos vor, daß mir<lb/>
der Schulmann einmal eine angerauchte Pfeife<lb/>
abpfa&#x0364;ndete und &#x017F;ie in der&#x017F;elben Schul&#x017F;tunde o&#x0364;ffent¬<lb/>
lich vor meiner Na&#x017F;e gar ausrauchte. Heißt dieß<lb/>
exemplari&#x017F;cher Lebenswandel von Schulmei&#x017F;tern?<lb/>
Oder etwa dieß, daß &#x017F;ie Fi&#x017F;chchen-Fangen und<lb/>
Vo&#x0364;gel-Stellen uns Scholaren &#x017F;prichwo&#x0364;rtlich ver¬<lb/>
bieten wie Fu&#x0364;r&#x017F;ten die Wag&#x017F;piele, &#x017F;ich aber &#x017F;elber<lb/>
erlauben? Daru&#x0364;ber mo&#x0364;cht' ich einmal Ma&#x0364;nner in<lb/>
o&#x0364;ffentlichen Bla&#x0364;ttern ho&#x0364;ren.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O die liebe er&#x017F;te Schulzeit! Mir war alles<lb/>
erwu&#x0364;n&#x017F;cht, was gelehrt und geboten wurde, die<lb/>
klein&#x017F;te Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft war ja ganz voll Neuigkeiten,<lb/>
indeß ihr jetzt in Me&#x017F;&#x017F;en nur einige nachwach&#x017F;en.<lb/>
Kam nun vollends der Pfarrer mit den großen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0176] Ich betete oft ein leiſes Vater unſer, damit Gott ihn einen Finken, wenn er hinter ſeinem Kloben lauerte, darauf fangen ließe; und du wirſt dich erinnern, daß ich ſtets die Schlachtſchuͤſſel mit Fleiſch (du aber nur den Suppentopf) zu ihm trug. Wie ich mich auf das naͤchſte Wiederſehen in der Schule freuete!“ „Wer mich hart gegen den Schulmeiſter fin¬ det, ſagte Vult, dem halt' ich blos vor, daß mir der Schulmann einmal eine angerauchte Pfeife abpfaͤndete und ſie in derſelben Schulſtunde oͤffent¬ lich vor meiner Naſe gar ausrauchte. Heißt dieß exemplariſcher Lebenswandel von Schulmeiſtern? Oder etwa dieß, daß ſie Fiſchchen-Fangen und Voͤgel-Stellen uns Scholaren ſprichwoͤrtlich ver¬ bieten wie Fuͤrſten die Wagſpiele, ſich aber ſelber erlauben? Daruͤber moͤcht' ich einmal Maͤnner in oͤffentlichen Blaͤttern hoͤren.“ — „O die liebe erſte Schulzeit! Mir war alles erwuͤnſcht, was gelehrt und geboten wurde, die kleinſte Wiſſenſchaft war ja ganz voll Neuigkeiten, indeß ihr jetzt in Meſſen nur einige nachwachſen. Kam nun vollends der Pfarrer mit den großen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/176
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/176>, abgerufen am 23.07.2024.