Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.Phantasie, welche helles Krystallisazionswasser ist, Doch wurde sein Himmel nicht immer so Phantaſie, welche helles Kryſtalliſazionswaſſer iſt, Doch wurde ſein Himmel nicht immer ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0165" n="159"/> Phantaſie, welche helles Kryſtalliſazionswaſſer iſt,<lb/> ohne welches die leichteſten Formen des Lebens in<lb/> Aſche zerfallen.</p><lb/> <p>Doch wurde ſein Himmel nicht immer ſo<lb/> phantaſtiſch weit uͤber die Luͤfte der Erde hinaus<lb/> gehoben, er wurde auch zuweilen ſo real herun¬<lb/> ter gebaut wie ein Theater- oder ein Betthimmel.<lb/> An Sonntagsgelaͤuten, am Hofgarten, an friſcher<lb/> kalter Luft, an Winterkonzerten (die er unten<lb/> auf der Gaſſe ſpazierend hoͤrte) hatt' er ſo viel<lb/> Antheil als irgend eine Perſon mit Schluͤſſel und<lb/> Stern, der im Innern gerade beide fehlen. Aß<lb/> er ſein Abendbrod, ſo ſagt' er: „der ganze Hof<lb/> ißt doch jetzt auch Brod wie ich;” dabei ſetzte<lb/> und benahm er ſich zierlich und artig, um ge¬<lb/> wiſſermaſſen in guter Geſellſchaft zu ſitzen. An<lb/> Sonntagen kauft' er in einem guten Hauſe ſich<lb/> einen der beſten Borsdorfer Aepfel ein und trug<lb/> ihn ſich Abends in der Daͤmmerung auf und<lb/> ſagte: „ganz gewiß werden heute an den ver¬<lb/> ſchiedenen Hoͤfen Europens Borsdorfer ausgeſetzt,<lb/> aber nur als ſeltner Nachtiſch; ich aber mache<lb/> gar meinen Abendtiſch daraus — und wenn ich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [159/0165]
Phantaſie, welche helles Kryſtalliſazionswaſſer iſt,
ohne welches die leichteſten Formen des Lebens in
Aſche zerfallen.
Doch wurde ſein Himmel nicht immer ſo
phantaſtiſch weit uͤber die Luͤfte der Erde hinaus
gehoben, er wurde auch zuweilen ſo real herun¬
ter gebaut wie ein Theater- oder ein Betthimmel.
An Sonntagsgelaͤuten, am Hofgarten, an friſcher
kalter Luft, an Winterkonzerten (die er unten
auf der Gaſſe ſpazierend hoͤrte) hatt' er ſo viel
Antheil als irgend eine Perſon mit Schluͤſſel und
Stern, der im Innern gerade beide fehlen. Aß
er ſein Abendbrod, ſo ſagt' er: „der ganze Hof
ißt doch jetzt auch Brod wie ich;” dabei ſetzte
und benahm er ſich zierlich und artig, um ge¬
wiſſermaſſen in guter Geſellſchaft zu ſitzen. An
Sonntagen kauft' er in einem guten Hauſe ſich
einen der beſten Borsdorfer Aepfel ein und trug
ihn ſich Abends in der Daͤmmerung auf und
ſagte: „ganz gewiß werden heute an den ver¬
ſchiedenen Hoͤfen Europens Borsdorfer ausgeſetzt,
aber nur als ſeltner Nachtiſch; ich aber mache
gar meinen Abendtiſch daraus — und wenn ich
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/165>, abgerufen am 27.07.2024. |