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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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und ein Edelmann war. Für manches Mädchen
sitze ein Ahnen-Mann auf seinem Stammbaum
so eingliedert und zerschoßen wie ein Schützenvo¬
gel am dritten Tage auf der Stange, sie wird
doch an ihm gern zur Königin und will ihn er¬
zielen. Mit einer Freude ohne Eifersucht gab sie
ihm auf die Frage, wann der General mit seiner
Tochter komme, die Hoffnung ihrer Nähe.

Kaum hatten die Gebrüder mit größerer
Mühe wieder zu fliegen und zu scherzen angefan¬
gen im Roman: so stand Vult auf und murmel¬
te so zu sich -- Walt mußt' es hören --: "ich
wüßte nicht, warum ich nicht zu meinem einsa¬
men Bruder einmal einen Spaziergang machte,
da die Wege von hier zu ihm noch ebener und fe¬
ster sind als selber in Chursachsen." Darauf öff¬
nete er das Kapfensterchen am gemahlten Palla¬
ste der Bühnenwand und rief hindurch: kannst
du mich hören? Ich hätte Lust zu dir zu mar¬
schiren, wenn du eben allein wärest. "Du
Schelm, du guter," sagte Walt. Jener reisete
denn um die Wand mit anderthalb Schritten
und dem Wandnachbar entgegen mit vorgestreck¬

und ein Edelmann war. Fuͤr manches Maͤdchen
ſitze ein Ahnen-Mann auf ſeinem Stammbaum
ſo eingliedert und zerſchoßen wie ein Schuͤtzenvo¬
gel am dritten Tage auf der Stange, ſie wird
doch an ihm gern zur Koͤnigin und will ihn er¬
zielen. Mit einer Freude ohne Eiferſucht gab ſie
ihm auf die Frage, wann der General mit ſeiner
Tochter komme, die Hoffnung ihrer Naͤhe.

Kaum hatten die Gebruͤder mit groͤßerer
Muͤhe wieder zu fliegen und zu ſcherzen angefan¬
gen im Roman: ſo ſtand Vult auf und murmel¬
te ſo zu ſich — Walt mußt' es hoͤren —: „ich
wuͤßte nicht, warum ich nicht zu meinem einſa¬
men Bruder einmal einen Spaziergang machte,
da die Wege von hier zu ihm noch ebener und fe¬
ſter ſind als ſelber in Churſachſen.” Darauf oͤff¬
nete er das Kapfenſterchen am gemahlten Palla¬
ſte der Buͤhnenwand und rief hindurch: kannſt
du mich hoͤren? Ich haͤtte Luſt zu dir zu mar¬
ſchiren, wenn du eben allein waͤreſt. „Du
Schelm, du guter,” ſagte Walt. Jener reiſete
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[141/0147] und ein Edelmann war. Fuͤr manches Maͤdchen ſitze ein Ahnen-Mann auf ſeinem Stammbaum ſo eingliedert und zerſchoßen wie ein Schuͤtzenvo¬ gel am dritten Tage auf der Stange, ſie wird doch an ihm gern zur Koͤnigin und will ihn er¬ zielen. Mit einer Freude ohne Eiferſucht gab ſie ihm auf die Frage, wann der General mit ſeiner Tochter komme, die Hoffnung ihrer Naͤhe. Kaum hatten die Gebruͤder mit groͤßerer Muͤhe wieder zu fliegen und zu ſcherzen angefan¬ gen im Roman: ſo ſtand Vult auf und murmel¬ te ſo zu ſich — Walt mußt' es hoͤren —: „ich wuͤßte nicht, warum ich nicht zu meinem einſa¬ men Bruder einmal einen Spaziergang machte, da die Wege von hier zu ihm noch ebener und fe¬ ſter ſind als ſelber in Churſachſen.” Darauf oͤff¬ nete er das Kapfenſterchen am gemahlten Palla¬ ſte der Buͤhnenwand und rief hindurch: kannſt du mich hoͤren? Ich haͤtte Luſt zu dir zu mar¬ ſchiren, wenn du eben allein waͤreſt. „Du Schelm, du guter,” ſagte Walt. Jener reiſete denn um die Wand mit anderthalb Schritten und dem Wandnachbar entgegen mit vorgeſtreck¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/147>, abgerufen am 24.11.2024.