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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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sonst ein Flügel-Werk aussitzen kann, das sich
vor der Nachwelt so gut sehen lässet, daß sie ihre
Vorwelt fragt, wer beide Brüder waren, wie
lang, wie breit, wie sie gegessen, genieset, und
was die Gebrüder sonst für Sitten und Möbeln
und Narrheiten gehabt; wenn das, sag' ich, nicht
der Fall bei uns seyn soll: so will ich nicht im
Ernste gesprochen haben."

"Ach du schöner Gott", rief Walt mit Freu¬
denblicken.

"Fressen will ich meine Zunge vor Hunger und,
wie man von Bomben sagt, krepieren, creper, wenn
wir uns hier nicht lange vorher lieben, eh' wir
uns zanken, kurz überhaupt wenn nicht Sachen
vorfallen, wovon in Zukunft ein Mehreres münd¬
lich. -- "Bei Gott, du gibst mir neues Leben,"
sagte Walt. "Hältst du es aber genehm, sagte
Vult und führte ihn in die Schlafkammer, daß
ich unsere Bettstellen durch die spanische Wand --
für die spanischen Schlösser der Träume -- queer
geschieden halte? Ich sehe sie aber mehr für einen
alten Bettschirm an."

"Du kennst darüber meine Grundsätze, sagte

ſonſt ein Fluͤgel-Werk ausſitzen kann, das ſich
vor der Nachwelt ſo gut ſehen laͤſſet, daß ſie ihre
Vorwelt fragt, wer beide Bruͤder waren, wie
lang, wie breit, wie ſie gegeſſen, genieſet, und
was die Gebruͤder ſonſt fuͤr Sitten und Moͤbeln
und Narrheiten gehabt; wenn das, ſag' ich, nicht
der Fall bei uns ſeyn ſoll: ſo will ich nicht im
Ernſte geſprochen haben.”

„Ach du ſchoͤner Gott”, rief Walt mit Freu¬
denblicken.

„Freſſen will ich meine Zunge vor Hunger und,
wie man von Bomben ſagt, krepieren, crêper, wenn
wir uns hier nicht lange vorher lieben, eh' wir
uns zanken, kurz uͤberhaupt wenn nicht Sachen
vorfallen, wovon in Zukunft ein Mehreres muͤnd¬
lich. — „Bei Gott, du gibſt mir neues Leben,”
ſagte Walt. „Haͤltſt du es aber genehm, ſagte
Vult und fuͤhrte ihn in die Schlafkammer, daß
ich unſere Bettſtellen durch die ſpaniſche Wand —
fuͤr die ſpaniſchen Schloͤſſer der Traͤume — queer
geſchieden halte? Ich ſehe ſie aber mehr fuͤr einen
alten Bettſchirm an.”

„Du kennſt daruͤber meine Grundſaͤtze, ſagte

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[118/0124] ſonſt ein Fluͤgel-Werk ausſitzen kann, das ſich vor der Nachwelt ſo gut ſehen laͤſſet, daß ſie ihre Vorwelt fragt, wer beide Bruͤder waren, wie lang, wie breit, wie ſie gegeſſen, genieſet, und was die Gebruͤder ſonſt fuͤr Sitten und Moͤbeln und Narrheiten gehabt; wenn das, ſag' ich, nicht der Fall bei uns ſeyn ſoll: ſo will ich nicht im Ernſte geſprochen haben.” „Ach du ſchoͤner Gott”, rief Walt mit Freu¬ denblicken. „Freſſen will ich meine Zunge vor Hunger und, wie man von Bomben ſagt, krepieren, crêper, wenn wir uns hier nicht lange vorher lieben, eh' wir uns zanken, kurz uͤberhaupt wenn nicht Sachen vorfallen, wovon in Zukunft ein Mehreres muͤnd¬ lich. — „Bei Gott, du gibſt mir neues Leben,” ſagte Walt. „Haͤltſt du es aber genehm, ſagte Vult und fuͤhrte ihn in die Schlafkammer, daß ich unſere Bettſtellen durch die ſpaniſche Wand — fuͤr die ſpaniſchen Schloͤſſer der Traͤume — queer geſchieden halte? Ich ſehe ſie aber mehr fuͤr einen alten Bettſchirm an.” „Du kennſt daruͤber meine Grundſaͤtze, ſagte

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/124>, abgerufen am 27.11.2024.