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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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er die Treppe hinauf, nicht um sie oben abzula¬
den, sondern zu verdoppeln! Aber niemand sagte:
komm' herein! Das Zimmer war ausgeleert, die
Kammerthüre offen -- auf einem Stallleuchter
wollte ein sterbendes Licht verscheiden -- die Bett¬
stelle beherbergte, gleich einer Scheune, nur fata¬
les Stroh -- verzettelte Papier-Spähne, Brief-
Umschläge, zerschnittene Flöten-Arien bildeten
den Bodensatz verlaufener Tage -- es war das
Gebeinhaus oder Gebeinzimmer eines Menschen.

Walt dachte im ersten Unsinn des Schreckens,
Vult könne, wenn nicht damals, doch später, im
Wasser gelegen seyn, und griff alle Papier-Reli¬
quien mit groß tropfenden Augen halb unbewußt
zusammen. Auf einmal rief die baßstimmige Frau
des Theaterschneiders herauf, wer droben umtra¬
be. Harnisch, versetzt' er. Da fuhr sie die Treppe
herauf und schalt: das sei Harnischens Stimme
nicht. Als sie ihn gar im Finstern sah -- denn
er hatte das sterbende Licht getödtet, weil jede
Nacht besser ist, so wie der Tod besser als Ster¬
ben, -- so mußt' er sich mit der Theaterschnei¬

Flegeljahre IV. Bd. 8

er die Treppe hinauf, nicht um ſie oben abzula¬
den, ſondern zu verdoppeln! Aber niemand ſagte:
komm' herein! Das Zimmer war ausgeleert, die
Kammerthuͤre offen — auf einem Stallleuchter
wollte ein ſterbendes Licht verſcheiden — die Bett¬
ſtelle beherbergte, gleich einer Scheune, nur fata¬
les Stroh — verzettelte Papier-Spaͤhne, Brief-
Umſchlaͤge, zerſchnittene Floͤten-Arien bildeten
den Bodenſatz verlaufener Tage — es war das
Gebeinhaus oder Gebeinzimmer eines Menſchen.

Walt dachte im erſten Unſinn des Schreckens,
Vult koͤnne, wenn nicht damals, doch ſpaͤter, im
Waſſer gelegen ſeyn, und griff alle Papier-Reli¬
quien mit groß tropfenden Augen halb unbewußt
zuſammen. Auf einmal rief die baßſtimmige Frau
des Theaterſchneiders herauf, wer droben umtra¬
be. Harniſch, verſetzt' er. Da fuhr ſie die Treppe
herauf und ſchalt: das ſei Harniſchens Stimme
nicht. Als ſie ihn gar im Finſtern ſah — denn
er hatte das ſterbende Licht getoͤdtet, weil jede
Nacht beſſer iſt, ſo wie der Tod beſſer als Ster¬
ben, — ſo mußt' er ſich mit der Theaterſchnei¬

Flegeljahre IV. Bd. 8
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[113/0119] er die Treppe hinauf, nicht um ſie oben abzula¬ den, ſondern zu verdoppeln! Aber niemand ſagte: komm' herein! Das Zimmer war ausgeleert, die Kammerthuͤre offen — auf einem Stallleuchter wollte ein ſterbendes Licht verſcheiden — die Bett¬ ſtelle beherbergte, gleich einer Scheune, nur fata¬ les Stroh — verzettelte Papier-Spaͤhne, Brief- Umſchlaͤge, zerſchnittene Floͤten-Arien bildeten den Bodenſatz verlaufener Tage — es war das Gebeinhaus oder Gebeinzimmer eines Menſchen. Walt dachte im erſten Unſinn des Schreckens, Vult koͤnne, wenn nicht damals, doch ſpaͤter, im Waſſer gelegen ſeyn, und griff alle Papier-Reli¬ quien mit groß tropfenden Augen halb unbewußt zuſammen. Auf einmal rief die baßſtimmige Frau des Theaterſchneiders herauf, wer droben umtra¬ be. Harniſch, verſetzt' er. Da fuhr ſie die Treppe herauf und ſchalt: das ſei Harniſchens Stimme nicht. Als ſie ihn gar im Finſtern ſah — denn er hatte das ſterbende Licht getoͤdtet, weil jede Nacht beſſer iſt, ſo wie der Tod beſſer als Ster¬ ben, — ſo mußt' er ſich mit der Theaterſchnei¬ Flegeljahre IV. Bd. 8

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/119>, abgerufen am 24.11.2024.