ganz entblößt von Menschen und Geschäften -- seinen Roman fort, als das einzige dünne leichte Band, das sich noch aus seiner Stube in die brü¬ derliche spannen ließ.
An einem Abende, als der ausgewachsene reife Mond gar zu hell und lösend schien, bedacht' er, ob es denn nicht schicklich sei, ordentlich Abschied zu nehmen. Er schrieb folgendes Briefchen:
"Empfange mich nicht übel, wenn ich die¬ sen Abend um 7 Uhr komme. Wahrlich, ich nehme nur Abschied; alles wird auf der Erde oh¬ ne Abschied aus einander gestürmt; aber der Mensch nimmt seinen von einem Menschen, wenn er kann, wenn kein Meer-Sturm, wenn kein Erdbeben die Seelen-Nächsten plötzlich zerwirft. Sei wie ich, Vult; ich will dich nur wieder sehen und dann nicht länger. Antworte nur aber nicht; weil ich mich fürchte."
Er bekam auch keine Antwort, und wurde noch furchtsamer und trauriger. Er ging Abends, aber ihm war, als sei der Abschied schon vorbei. In Vults Stube war Licht. Welche Bürde trug
er
ganz entbloͤßt von Menſchen und Geſchaͤften — ſeinen Roman fort, als das einzige duͤnne leichte Band, das ſich noch aus ſeiner Stube in die bruͤ¬ derliche ſpannen ließ.
An einem Abende, als der ausgewachſene reife Mond gar zu hell und loͤſend ſchien, bedacht' er, ob es denn nicht ſchicklich ſei, ordentlich Abſchied zu nehmen. Er ſchrieb folgendes Briefchen:
„Empfange mich nicht uͤbel, wenn ich die¬ ſen Abend um 7 Uhr komme. Wahrlich, ich nehme nur Abſchied; alles wird auf der Erde oh¬ ne Abſchied aus einander geſtuͤrmt; aber der Menſch nimmt ſeinen von einem Menſchen, wenn er kann, wenn kein Meer-Sturm, wenn kein Erdbeben die Seelen-Naͤchſten ploͤtzlich zerwirft. Sei wie ich, Vult; ich will dich nur wieder ſehen und dann nicht laͤnger. Antworte nur aber nicht; weil ich mich fuͤrchte.“
Er bekam auch keine Antwort, und wurde noch furchtſamer und trauriger. Er ging Abends, aber ihm war, als ſei der Abſchied ſchon vorbei. In Vults Stube war Licht. Welche Buͤrde trug
er
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ganz entbloͤßt von Menſchen und Geſchaͤften —
ſeinen Roman fort, als das einzige duͤnne leichte
Band, das ſich noch aus ſeiner Stube in die bruͤ¬
derliche ſpannen ließ.
An einem Abende, als der ausgewachſene reife
Mond gar zu hell und loͤſend ſchien, bedacht' er,
ob es denn nicht ſchicklich ſei, ordentlich Abſchied
zu nehmen. Er ſchrieb folgendes Briefchen:
„Empfange mich nicht uͤbel, wenn ich die¬
ſen Abend um 7 Uhr komme. Wahrlich, ich
nehme nur Abſchied; alles wird auf der Erde oh¬
ne Abſchied aus einander geſtuͤrmt; aber der Menſch
nimmt ſeinen von einem Menſchen, wenn er kann,
wenn kein Meer-Sturm, wenn kein Erdbeben die
Seelen-Naͤchſten ploͤtzlich zerwirft. Sei wie ich,
Vult; ich will dich nur wieder ſehen und dann
nicht laͤnger. Antworte nur aber nicht; weil ich
mich fuͤrchte.“
Er bekam auch keine Antwort, und wurde
noch furchtſamer und trauriger. Er ging Abends,
aber ihm war, als ſei der Abſchied ſchon vorbei.
In Vults Stube war Licht. Welche Buͤrde trug
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/118>, abgerufen am 27.11.2024.
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