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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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wessir Spielgeld schuldig bin: so will ich nicht krank
gewesen seyn. Recht hast du gewiß; aber sollte
man sich denn nicht jedesmal, eh' man in ein
hitziges Fieber verfällt, tausend Knoten ins Schnupf¬
tuch machen, um genesen manche besser zu lösen
als durch das Zuwerfen des Schnupftuchs? Sprich,
Kammerherr! -- Pass' also, bis mir die Memorie
wieder aufhilft! -- aber verflucht fatal, daß Ihr
Leute vom Hofe ganz gegen Plattners Bemerkung
gerade nur das Fatale (weniger fast Fatalien) be¬
haltet. Aber wie gehts übrigens? Revüe schon
an?" -- "Wie im Winter, Vult?" sagte Ju¬
lius. Nun, du siehst es selber, sagt' ich. Was
macht denn die liebenswürdige Königin? -- Man¬
ches, glaub' ich, vergißt man weniger." -- Darauf
bat ich ihn, nächstens mich zu erinnern und wir
schieden ganz gütlich.

Anders gings, als ich von der langen Brücke
in die Königsstraße wollte und mich ein gebildeter
Jude aufhielt: "lieber Moses! sagt' ich, böse
Nachrichten! das Fieber hat mich zu einem Titus
geschoren." -- "Böse! unterbrach der Jude;

Flegeljahre IV. Bd. 7

weſſir Spielgeld ſchuldig bin: ſo will ich nicht krank
geweſen ſeyn. Recht haſt du gewiß; aber ſollte
man ſich denn nicht jedesmal, eh' man in ein
hitziges Fieber verfaͤllt, tauſend Knoten ins Schnupf¬
tuch machen, um geneſen manche beſſer zu loͤſen
als durch das Zuwerfen des Schnupftuchs? Sprich,
Kammerherr! — Paſſ' alſo, bis mir die Memorie
wieder aufhilft! — aber verflucht fatal, daß Ihr
Leute vom Hofe ganz gegen Plattners Bemerkung
gerade nur das Fatale (weniger faſt Fatalien) be¬
haltet. Aber wie gehts uͤbrigens? Revuͤe ſchon
an?” — „Wie im Winter, Vult?” ſagte Ju¬
lius. Nun, du ſiehſt es ſelber, ſagt' ich. Was
macht denn die liebenswuͤrdige Koͤnigin? — Man¬
ches, glaub' ich, vergißt man weniger.” — Darauf
bat ich ihn, naͤchſtens mich zu erinnern und wir
ſchieden ganz guͤtlich.

Anders gings, als ich von der langen Bruͤcke
in die Koͤnigsſtraße wollte und mich ein gebildeter
Jude aufhielt: „lieber Moſes! ſagt' ich, boͤſe
Nachrichten! das Fieber hat mich zu einem Titus
geſchoren.” — „Boͤſe! unterbrach der Jude;

Flegeljahre IV. Bd. 7
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[97/0103] weſſir Spielgeld ſchuldig bin: ſo will ich nicht krank geweſen ſeyn. Recht haſt du gewiß; aber ſollte man ſich denn nicht jedesmal, eh' man in ein hitziges Fieber verfaͤllt, tauſend Knoten ins Schnupf¬ tuch machen, um geneſen manche beſſer zu loͤſen als durch das Zuwerfen des Schnupftuchs? Sprich, Kammerherr! — Paſſ' alſo, bis mir die Memorie wieder aufhilft! — aber verflucht fatal, daß Ihr Leute vom Hofe ganz gegen Plattners Bemerkung gerade nur das Fatale (weniger faſt Fatalien) be¬ haltet. Aber wie gehts uͤbrigens? Revuͤe ſchon an?” — „Wie im Winter, Vult?” ſagte Ju¬ lius. Nun, du ſiehſt es ſelber, ſagt' ich. Was macht denn die liebenswuͤrdige Koͤnigin? — Man¬ ches, glaub' ich, vergißt man weniger.” — Darauf bat ich ihn, naͤchſtens mich zu erinnern und wir ſchieden ganz guͤtlich. Anders gings, als ich von der langen Bruͤcke in die Koͤnigsſtraße wollte und mich ein gebildeter Jude aufhielt: „lieber Moſes! ſagt' ich, boͤſe Nachrichten! das Fieber hat mich zu einem Titus geſchoren.” — „Boͤſe! unterbrach der Jude; Flegeljahre IV. Bd. 7

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/103>, abgerufen am 24.11.2024.