Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.gen ein Paar große helle Tropfen aus einer war¬ Er sang nicht mehr, seitdem er hörte und gen ein Paar große helle Tropfen aus einer war¬ Er ſang nicht mehr, ſeitdem er hoͤrte und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0099" n="91"/> gen ein Paar große helle Tropfen aus einer war¬<lb/> men Fluge-Wolke uͤber ihm auf ſeine flache<lb/> Hand herab — er ſah ſie lange an, wie er es<lb/> ſonſt als Kind bei Regentropfen gemacht, weil<lb/> ſie vom hohen fernen heiligen Himmel gekom¬<lb/> men. Die Sonne ſtach auf die weiſſe Haut, und<lb/> wollte ſie wegkuͤſſen — er kuͤſte ſie auf und ſah<lb/> mit unausſprechlicher Liebe nach dem warmen<lb/> Himmel auf, wie ein Kind an die Mutter.</p><lb/> <p>Er ſang nicht mehr, ſeitdem er hoͤrte und<lb/> weinte. Endlich ſtand er auf, und ſezte ſeinen Him¬<lb/> melsweg fort, als er einige Schritte in der Naͤhe<lb/> einen aus der Hutſchnur eines Fuhrmanns ent¬<lb/> fallenen Zollzettel auf dem Wege gewahr wurde.<lb/> In der Hoffnung, daß er dem Mann vielleicht<lb/> nachkomme und ihn finde, hob er das Blaͤttgen<lb/> auf; weil ihm nichts Fremdes klein, wie nichts<lb/> Eignes wichtig vorkam; und weil ſein poetiſcher<lb/> Sturm leichter einen Gipfel bog, als eine Blu¬<lb/> me. Wenn die Leidenſchaft gluth-verworren<lb/> auffliegt, wie ein brennendes Schiff: ſo fliegt<lb/> die zarte Dichtkunſt des Herzens nur auf, wie<lb/> eine goldne Abendroth-Taube, oder wie ein Chri¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [91/0099]
gen ein Paar große helle Tropfen aus einer war¬
men Fluge-Wolke uͤber ihm auf ſeine flache
Hand herab — er ſah ſie lange an, wie er es
ſonſt als Kind bei Regentropfen gemacht, weil
ſie vom hohen fernen heiligen Himmel gekom¬
men. Die Sonne ſtach auf die weiſſe Haut, und
wollte ſie wegkuͤſſen — er kuͤſte ſie auf und ſah
mit unausſprechlicher Liebe nach dem warmen
Himmel auf, wie ein Kind an die Mutter.
Er ſang nicht mehr, ſeitdem er hoͤrte und
weinte. Endlich ſtand er auf, und ſezte ſeinen Him¬
melsweg fort, als er einige Schritte in der Naͤhe
einen aus der Hutſchnur eines Fuhrmanns ent¬
fallenen Zollzettel auf dem Wege gewahr wurde.
In der Hoffnung, daß er dem Mann vielleicht
nachkomme und ihn finde, hob er das Blaͤttgen
auf; weil ihm nichts Fremdes klein, wie nichts
Eignes wichtig vorkam; und weil ſein poetiſcher
Sturm leichter einen Gipfel bog, als eine Blu¬
me. Wenn die Leidenſchaft gluth-verworren
auffliegt, wie ein brennendes Schiff: ſo fliegt
die zarte Dichtkunſt des Herzens nur auf, wie
eine goldne Abendroth-Taube, oder wie ein Chri¬
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