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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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Der Notar antwortete gewissenhaft, das
heisset als ein Notar, und sagte, er hoffe, nach
dem Schnupftuch zu schließen, er sei noch leben¬
dig. Sie berichtete, daß der D. Hut, der geru¬
fen worden, ihn zwar angenommen, aber als ei¬
nen verlornen Menschen, und sie wünschte dem
Doktor, mit ihrem weichen Leumund, keine un¬
glückliche Kur.

"Das ist doch schon was, und die überleb¬
te Nacht dazu" versezte Walt ganz wohlge¬
muth. Aber sie versicherte, sie tröste sich leider
nicht so leicht und sie sei überhaupt so unglück¬
lich, daß das fremde Leiden, auch das kleinste
ihrer Verwandten, sie heftig angreife und sie
Thränen koste. Sie brach in einige aus; sie
wurde von sich so leicht, als von andern schwer
gerührt. Auch ist das Sprechen von Weinen
bei Weibern ein Mittel zum Weinen. Der No¬
tar war seelenvergnügt über alle die Rührungen
die er theils sah, theils theilte. Liebes Frauen-
Weinen war ihm eine so seltene Kost, als langer
grüner Ungar, Nierensteiner Hammelhoden,
Wormser liebe Frauen-Milch oder andere Wei¬

Der Notar antwortete gewiſſenhaft, das
heiſſet als ein Notar, und ſagte, er hoffe, nach
dem Schnupftuch zu ſchließen, er ſei noch leben¬
dig. Sie berichtete, daß der D. Hut, der geru¬
fen worden, ihn zwar angenommen, aber als ei¬
nen verlornen Menſchen, und ſie wuͤnſchte dem
Doktor, mit ihrem weichen Leumund, keine un¬
gluͤckliche Kur.

„Das iſt doch ſchon was, und die uͤberleb¬
te Nacht dazu“ verſezte Walt ganz wohlge¬
muth. Aber ſie verſicherte, ſie troͤſte ſich leider
nicht ſo leicht und ſie ſei uͤberhaupt ſo ungluͤck¬
lich, daß das fremde Leiden, auch das kleinſte
ihrer Verwandten, ſie heftig angreife und ſie
Thraͤnen koſte. Sie brach in einige aus; ſie
wurde von ſich ſo leicht, als von andern ſchwer
geruͤhrt. Auch iſt das Sprechen von Weinen
bei Weibern ein Mittel zum Weinen. Der No¬
tar war ſeelenvergnuͤgt uͤber alle die Ruͤhrungen
die er theils ſah, theils theilte. Liebes Frauen-
Weinen war ihm eine ſo ſeltene Koſt, als langer
gruͤner Ungar, Nierenſteiner Hammelhoden,
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[63/0071] Der Notar antwortete gewiſſenhaft, das heiſſet als ein Notar, und ſagte, er hoffe, nach dem Schnupftuch zu ſchließen, er ſei noch leben¬ dig. Sie berichtete, daß der D. Hut, der geru¬ fen worden, ihn zwar angenommen, aber als ei¬ nen verlornen Menſchen, und ſie wuͤnſchte dem Doktor, mit ihrem weichen Leumund, keine un¬ gluͤckliche Kur. „Das iſt doch ſchon was, und die uͤberleb¬ te Nacht dazu“ verſezte Walt ganz wohlge¬ muth. Aber ſie verſicherte, ſie troͤſte ſich leider nicht ſo leicht und ſie ſei uͤberhaupt ſo ungluͤck¬ lich, daß das fremde Leiden, auch das kleinſte ihrer Verwandten, ſie heftig angreife und ſie Thraͤnen koſte. Sie brach in einige aus; ſie wurde von ſich ſo leicht, als von andern ſchwer geruͤhrt. Auch iſt das Sprechen von Weinen bei Weibern ein Mittel zum Weinen. Der No¬ tar war ſeelenvergnuͤgt uͤber alle die Ruͤhrungen die er theils ſah, theils theilte. Liebes Frauen- Weinen war ihm eine ſo ſeltene Koſt, als langer gruͤner Ungar, Nierenſteiner Hammelhoden, Wormſer liebe Frauen-Milch oder andere Wei¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/71>, abgerufen am 22.11.2024.