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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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ganze Herz öffnet, so wie verschenkt, verschließet
und behält doch den Winkel, wo sie selber nistet;
und diktirt dem besten Jüngling die erste Lüge,
wie der besten Jungfrau die längste.

Walt begleitete -- bei seinen innern Bewe¬
gungen, deren Blutkügelgen wie höhere Kugeln
einen freien Himmel zum Bewegen brauchten -- den
Bruder nach Hause. Dieser begleitete erfreut wieder
jenen; Walt wieder diesen, um vor Winas Fenstern
auf dem Heimwege vorbeizukommen. So trieben
sie es oft, bis der Notarius siegte.

Einsam unter dem breiten Sternenhimmel
konnt' er die glühende Seele recht ausdehnen und
abkühlen. "Sollt' ich denn den romantischen, so
oft gedichteten Fall jezt wirklich in der Wirklich¬
keit erleben, daß ich liebte? sagte er. Nun so
will ich -- sezt' er dazu, und der bisher winter¬
lich eingepuppte, gefrorne Schmetterling sprengte
die Puppen-Hülse weit ab, und fuhr auf und
wiegte feuchte Schwingen -- lieben wie niemand
und bis zum Tod und Schmerz -- denn ich kann's
ja gut, da Sie mich nicht kennt und nicht liebt,
und ich ihr nichts schade und sie sehr von Stand

ganze Herz oͤffnet, ſo wie verſchenkt, verſchließet
und behaͤlt doch den Winkel, wo ſie ſelber niſtet;
und diktirt dem beſten Juͤngling die erſte Luͤge,
wie der beſten Jungfrau die laͤngſte.

Walt begleitete — bei ſeinen innern Bewe¬
gungen, deren Blutkuͤgelgen wie hoͤhere Kugeln
einen freien Himmel zum Bewegen brauchten — den
Bruder nach Hauſe. Dieſer begleitete erfreut wieder
jenen; Walt wieder dieſen, um vor Winas Fenſtern
auf dem Heimwege vorbeizukommen. So trieben
ſie es oft, bis der Notarius ſiegte.

Einſam unter dem breiten Sternenhimmel
konnt' er die gluͤhende Seele recht ausdehnen und
abkuͤhlen. „Sollt' ich denn den romantiſchen, ſo
oft gedichteten Fall jezt wirklich in der Wirklich¬
keit erleben, daß ich liebte? ſagte er. Nun ſo
will ich — ſezt' er dazu, und der bisher winter¬
lich eingepuppte, gefrorne Schmetterling ſprengte
die Puppen-Huͤlſe weit ab, und fuhr auf und
wiegte feuchte Schwingen — lieben wie niemand
und bis zum Tod und Schmerz — denn ich kann's
ja gut, da Sie mich nicht kennt und nicht liebt,
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[44/0052] ganze Herz oͤffnet, ſo wie verſchenkt, verſchließet und behaͤlt doch den Winkel, wo ſie ſelber niſtet; und diktirt dem beſten Juͤngling die erſte Luͤge, wie der beſten Jungfrau die laͤngſte. Walt begleitete — bei ſeinen innern Bewe¬ gungen, deren Blutkuͤgelgen wie hoͤhere Kugeln einen freien Himmel zum Bewegen brauchten — den Bruder nach Hauſe. Dieſer begleitete erfreut wieder jenen; Walt wieder dieſen, um vor Winas Fenſtern auf dem Heimwege vorbeizukommen. So trieben ſie es oft, bis der Notarius ſiegte. Einſam unter dem breiten Sternenhimmel konnt' er die gluͤhende Seele recht ausdehnen und abkuͤhlen. „Sollt' ich denn den romantiſchen, ſo oft gedichteten Fall jezt wirklich in der Wirklich¬ keit erleben, daß ich liebte? ſagte er. Nun ſo will ich — ſezt' er dazu, und der bisher winter¬ lich eingepuppte, gefrorne Schmetterling ſprengte die Puppen-Huͤlſe weit ab, und fuhr auf und wiegte feuchte Schwingen — lieben wie niemand und bis zum Tod und Schmerz — denn ich kann's ja gut, da Sie mich nicht kennt und nicht liebt, und ich ihr nichts ſchade und ſie ſehr von Stand

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/52>, abgerufen am 22.11.2024.