Sehr erstaunte Walt, -- der im Doppel¬ roman nur der Dichter, nämlich das stille Meer gewesen, das alle Bewegungen, der Seegefechte und des Himmels, abspiegelt, ohne selber in ei¬ ner zu sein -- als Vult aus dem Buche von weitem schließen wollte, er liebe vielleicht. Er glaubte dem gereiseten Flötenisten aufs Wort; sagte aber selber keines davon und war heimlich ganz vergnügt, daß er's jezt gerade so habe, wie er's hinschreibe. Stundenlang frappirte ihn eine neue Rolle, worin er etwas zu spielen hatte, was schon Millionenmal auf allen Planeten ge¬ spielet worden.
Als nun die Brüder nach ihrer Gewohnheit ihre gegenseitigen Tagsgeschichten gegen einander austauschen wollten: so gieng dem Notar die seinige sehr schwer und klebend von der Zunge; -- er hielt sich mehr an den General und an dessen memoires erotiques, um seine eignen zu decken.
Er lobte die geistige reine Blüthe in jenen; Vult lächelte darüber und sagte: "Du bist eine verdammte gute Seele!" Die Liebe, welche das
Sehr erſtaunte Walt, — der im Doppel¬ roman nur der Dichter, naͤmlich das ſtille Meer geweſen, das alle Bewegungen, der Seegefechte und des Himmels, abſpiegelt, ohne ſelber in ei¬ ner zu ſein — als Vult aus dem Buche von weitem ſchließen wollte, er liebe vielleicht. Er glaubte dem gereiſeten Floͤteniſten aufs Wort; ſagte aber ſelber keines davon und war heimlich ganz vergnuͤgt, daß er's jezt gerade ſo habe, wie er's hinſchreibe. Stundenlang frappirte ihn eine neue Rolle, worin er etwas zu ſpielen hatte, was ſchon Millionenmal auf allen Planeten ge¬ ſpielet worden.
Als nun die Bruͤder nach ihrer Gewohnheit ihre gegenſeitigen Tagsgeſchichten gegen einander austauſchen wollten: ſo gieng dem Notar die ſeinige ſehr ſchwer und klebend von der Zunge; — er hielt ſich mehr an den General und an deſſen mémoires érotiques, um ſeine eignen zu decken.
Er lobte die geiſtige reine Bluͤthe in jenen; Vult laͤchelte daruͤber und ſagte: „Du biſt eine verdammte gute Seele!“ Die Liebe, welche das
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Sehr erſtaunte Walt, — der im Doppel¬
roman nur der Dichter, naͤmlich das ſtille Meer
geweſen, das alle Bewegungen, der Seegefechte
und des Himmels, abſpiegelt, ohne ſelber in ei¬
ner zu ſein — als Vult aus dem Buche von
weitem ſchließen wollte, er liebe vielleicht. Er
glaubte dem gereiſeten Floͤteniſten aufs Wort;
ſagte aber ſelber keines davon und war heimlich
ganz vergnuͤgt, daß er's jezt gerade ſo habe, wie
er's hinſchreibe. Stundenlang frappirte ihn eine
neue Rolle, worin er etwas zu ſpielen hatte,
was ſchon Millionenmal auf allen Planeten ge¬
ſpielet worden.
Als nun die Bruͤder nach ihrer Gewohnheit
ihre gegenſeitigen Tagsgeſchichten gegen einander
austauſchen wollten: ſo gieng dem Notar die
ſeinige ſehr ſchwer und klebend von der Zunge;
— er hielt ſich mehr an den General und an
deſſen mémoires érotiques, um ſeine eignen
zu decken.
Er lobte die geiſtige reine Bluͤthe in jenen;
Vult laͤchelte daruͤber und ſagte: „Du biſt eine
verdammte gute Seele!“ Die Liebe, welche das
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/51>, abgerufen am 16.02.2025.
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