Wurf kam und die Hand gab. Dem Dichter glänzet die ganze Welt, doch aber eine herzogliche, königliche Krone matter als ein schöner weiblicher Kopf unter Krone und Herzogshut, oder als ein anderer, der nichts aufhat als den Himmel über sich; er ist bescheiden, wenn er einer Fürstin, und aufgerichtet, wenn er einer Hirtin die Hand giebt; nur zu den Vätern beider lässet er sich oft gar nicht herab.
In einer Laube fand er ein Strumpfband. Ein italischer Vers -- denn Raphaela verstand welsch, obwohl er nicht -- und ihr Name war darauf gestickt. Da er an diesem geistigen Mor¬ gen merkte, daß er einen provenzalischen Ritter und Poeten zugleich in sich verbinde: so faßt' er den freien Entschluß, das Strumpfband -- denn er hielts für ein Armband -- selber Raphaelen, die er brieflesend schleichen sah, mit einigen bedeu¬ tenden Worten zu überreichen. Er legte das Band weich vorn auf die flache Hand wie auf einen Prä¬ sentirteller und trug es ihr zart mit der Wendung entgegen -- die er aus vielen andern über weltli¬ chen Arm und Arm aus den Wolken ausgele¬
Wurf kam und die Hand gab. Dem Dichter glaͤnzet die ganze Welt, doch aber eine herzogliche, koͤnigliche Krone matter als ein ſchoͤner weiblicher Kopf unter Krone und Herzogshut, oder als ein anderer, der nichts aufhat als den Himmel uͤber ſich; er iſt beſcheiden, wenn er einer Fuͤrſtin, und aufgerichtet, wenn er einer Hirtin die Hand giebt; nur zu den Vaͤtern beider laͤſſet er ſich oft gar nicht herab.
In einer Laube fand er ein Strumpfband. Ein italiſcher Vers — denn Raphaela verſtand welſch, obwohl er nicht — und ihr Name war darauf geſtickt. Da er an dieſem geiſtigen Mor¬ gen merkte, daß er einen provenzaliſchen Ritter und Poeten zugleich in ſich verbinde: ſo faßt' er den freien Entſchluß, das Strumpfband — denn er hielts fuͤr ein Armband — ſelber Raphaelen, die er briefleſend ſchleichen ſah, mit einigen bedeu¬ tenden Worten zu uͤberreichen. Er legte das Band weich vorn auf die flache Hand wie auf einen Praͤ¬ ſentirteller und trug es ihr zart mit der Wendung entgegen — die er aus vielen andern uͤber weltli¬ chen Arm und Arm aus den Wolken ausgele¬
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Wurf kam und die Hand gab. Dem Dichter
glaͤnzet die ganze Welt, doch aber eine herzogliche,
koͤnigliche Krone matter als ein ſchoͤner weiblicher
Kopf unter Krone und Herzogshut, oder als ein
anderer, der nichts aufhat als den Himmel uͤber
ſich; er iſt beſcheiden, wenn er einer Fuͤrſtin, und
aufgerichtet, wenn er einer Hirtin die Hand giebt;
nur zu den Vaͤtern beider laͤſſet er ſich oft gar
nicht herab.
In einer Laube fand er ein Strumpfband.
Ein italiſcher Vers — denn Raphaela verſtand
welſch, obwohl er nicht — und ihr Name war
darauf geſtickt. Da er an dieſem geiſtigen Mor¬
gen merkte, daß er einen provenzaliſchen Ritter
und Poeten zugleich in ſich verbinde: ſo faßt' er
den freien Entſchluß, das Strumpfband — denn
er hielts fuͤr ein Armband — ſelber Raphaelen,
die er briefleſend ſchleichen ſah, mit einigen bedeu¬
tenden Worten zu uͤberreichen. Er legte das Band
weich vorn auf die flache Hand wie auf einen Praͤ¬
ſentirteller und trug es ihr zart mit der Wendung
entgegen — die er aus vielen andern uͤber weltli¬
chen Arm und Arm aus den Wolken ausgele¬
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/32>, abgerufen am 08.07.2024.
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