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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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wind auf der Windharfe einen mistönigen Läufer
und Kadenzen voll Schreitöne, da er vorüber¬
lief.

Seelig flog er seinen Weg -- denn er hatte
Flügel am Kopf, am Herzen, an den Füssen,
und saß als geflügelter Merkur noch auf dem
Flügelpferd -- und ohne es kaum zu merken,
kam er durch die vorigen Dörfer. Gleich dem
Blitze lief sein Geist nur an den Vergoldungen
des Welt-Gebäudes hin. Nur Wina und ihre
Augen füllten sein Herz; an Zukunft, Folgen,
Möglichkeiten dacht' er nicht; er dankte Gott,
daß es noch einige Gegenwart auf der Erde gab.

Eine Freude kleinerer Art genoß er hinter
Grünbrunn, wo ihm der Böheimische Schwein¬
treiber, dessen Klagen er in Jodiz gehört, mit
einem Pilger-Liede aufstieß, und nichts von
seinem Plagevieh mehr bei sich hatte, als den
Hund.

So trug ihn die rollende Erde ohne Erd¬
stösse wiegend um die bedeckte Sonne. Ge¬
gen Abend sah er schon Haslau, die Meilen
waren ihm Wersten geworden. In Härmlesberg

wind auf der Windharfe einen miſtoͤnigen Laͤufer
und Kadenzen voll Schreitoͤne, da er voruͤber¬
lief.

Seelig flog er ſeinen Weg — denn er hatte
Fluͤgel am Kopf, am Herzen, an den Fuͤſſen,
und ſaß als gefluͤgelter Merkur noch auf dem
Fluͤgelpferd — und ohne es kaum zu merken,
kam er durch die vorigen Doͤrfer. Gleich dem
Blitze lief ſein Geiſt nur an den Vergoldungen
des Welt-Gebaͤudes hin. Nur Wina und ihre
Augen fuͤllten ſein Herz; an Zukunft, Folgen,
Moͤglichkeiten dacht' er nicht; er dankte Gott,
daß es noch einige Gegenwart auf der Erde gab.

Eine Freude kleinerer Art genoß er hinter
Gruͤnbrunn, wo ihm der Boͤheimiſche Schwein¬
treiber, deſſen Klagen er in Jodiz gehoͤrt, mit
einem Pilger-Liede aufſtieß, und nichts von
ſeinem Plagevieh mehr bei ſich hatte, als den
Hund.

So trug ihn die rollende Erde ohne Erd¬
ſtoͤſſe wiegend um die bedeckte Sonne. Ge¬
gen Abend ſah er ſchon Haslau, die Meilen
waren ihm Werſten geworden. In Haͤrmlesberg

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[208/0216] wind auf der Windharfe einen miſtoͤnigen Laͤufer und Kadenzen voll Schreitoͤne, da er voruͤber¬ lief. Seelig flog er ſeinen Weg — denn er hatte Fluͤgel am Kopf, am Herzen, an den Fuͤſſen, und ſaß als gefluͤgelter Merkur noch auf dem Fluͤgelpferd — und ohne es kaum zu merken, kam er durch die vorigen Doͤrfer. Gleich dem Blitze lief ſein Geiſt nur an den Vergoldungen des Welt-Gebaͤudes hin. Nur Wina und ihre Augen fuͤllten ſein Herz; an Zukunft, Folgen, Moͤglichkeiten dacht' er nicht; er dankte Gott, daß es noch einige Gegenwart auf der Erde gab. Eine Freude kleinerer Art genoß er hinter Gruͤnbrunn, wo ihm der Boͤheimiſche Schwein¬ treiber, deſſen Klagen er in Jodiz gehoͤrt, mit einem Pilger-Liede aufſtieß, und nichts von ſeinem Plagevieh mehr bei ſich hatte, als den Hund. So trug ihn die rollende Erde ohne Erd¬ ſtoͤſſe wiegend um die bedeckte Sonne. Ge¬ gen Abend ſah er ſchon Haslau, die Meilen waren ihm Werſten geworden. In Haͤrmlesberg

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/216>, abgerufen am 25.11.2024.