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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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sagt' er, spät heraustretend, und den Strick-
Faden wieder aufnehmend -- daß nichts so rüh¬
rend ist, als die Kleidungsstücke der lieben Kin¬
der, z.B. dieses -- so ihre Hütgen --
Schühgen? -- -- Das heisset freilich am En¬
de, warum lieben wir sie selber so sehr?" --

"Es wird vielleicht auch darum sein --
versezte Wina und hob die ruhigen vollen Au¬
gen zum Notar empor, der vor ihr stand --
weil sie unschuldige Engel auf der Erde sind,
und doch schon viele Schmerzen leiden."

"Wahrhaftig, so ist es -- (betheuerte Walt,
indem Wina, wie eine schöne stille Flamme glän¬
zend vor ihm aufstand, um ihr Mädgen herzu¬
klingeln) -- Und wie dürfen Erwachsene kla¬
gen? -- Ich will warlich das Sterben eines
Kindes (sezt' er hinzu, und folgte ihr einige
Schritte nach) ertragen, aber nicht sein Jam¬
mern; denn in jenem ist etwas so heilig-schau¬
erliches." Wina kehrte sich um und nikte.

Luzie kam; Wina fragte, ob der General
ihr nichts aufgetragen. Luzie wuste von nichts,
als daß sie ihn in den nahen Garten hinein spa¬

ſagt' er, ſpaͤt heraustretend, und den Strick-
Faden wieder aufnehmend — daß nichts ſo ruͤh¬
rend iſt, als die Kleidungsſtuͤcke der lieben Kin¬
der, z.B. dieſes — ſo ihre Huͤtgen —
Schuͤhgen? — — Das heiſſet freilich am En¬
de, warum lieben wir ſie ſelber ſo ſehr?“ —

„Es wird vielleicht auch darum ſein —
verſezte Wina und hob die ruhigen vollen Au¬
gen zum Notar empor, der vor ihr ſtand —
weil ſie unſchuldige Engel auf der Erde ſind,
und doch ſchon viele Schmerzen leiden.“

„Wahrhaftig, ſo iſt es — (betheuerte Walt,
indem Wina, wie eine ſchoͤne ſtille Flamme glaͤn¬
zend vor ihm aufſtand, um ihr Maͤdgen herzu¬
klingeln) — Und wie duͤrfen Erwachſene kla¬
gen? — Ich will warlich das Sterben eines
Kindes (ſezt' er hinzu, und folgte ihr einige
Schritte nach) ertragen, aber nicht ſein Jam¬
mern; denn in jenem iſt etwas ſo heilig-ſchau¬
erliches.“ Wina kehrte ſich um und nikte.

Luzie kam; Wina fragte, ob der General
ihr nichts aufgetragen. Luzie wuſte von nichts,
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[184/0192] ſagt' er, ſpaͤt heraustretend, und den Strick- Faden wieder aufnehmend — daß nichts ſo ruͤh¬ rend iſt, als die Kleidungsſtuͤcke der lieben Kin¬ der, z.B. dieſes — ſo ihre Huͤtgen — Schuͤhgen? — — Das heiſſet freilich am En¬ de, warum lieben wir ſie ſelber ſo ſehr?“ — „Es wird vielleicht auch darum ſein — verſezte Wina und hob die ruhigen vollen Au¬ gen zum Notar empor, der vor ihr ſtand — weil ſie unſchuldige Engel auf der Erde ſind, und doch ſchon viele Schmerzen leiden.“ „Wahrhaftig, ſo iſt es — (betheuerte Walt, indem Wina, wie eine ſchoͤne ſtille Flamme glaͤn¬ zend vor ihm aufſtand, um ihr Maͤdgen herzu¬ klingeln) — Und wie duͤrfen Erwachſene kla¬ gen? — Ich will warlich das Sterben eines Kindes (ſezt' er hinzu, und folgte ihr einige Schritte nach) ertragen, aber nicht ſein Jam¬ mern; denn in jenem iſt etwas ſo heilig-ſchau¬ erliches.“ Wina kehrte ſich um und nikte. Luzie kam; Wina fragte, ob der General ihr nichts aufgetragen. Luzie wuſte von nichts, als daß ſie ihn in den nahen Garten hinein ſpa¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/192>, abgerufen am 24.11.2024.