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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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Er sah sie nicht oft an, aus Scheu vor dem zu¬
fälligen Augen-Aufschlag. Beide schwiegen.
Weibliches Schweigen bedeutet -- ohnehin als
das gewöhnlichere -- viel weniger als männli¬
ches. Die befeuernde Wirkung, welche der Wein
hätte auf den Notar thun können, war durch
seine Anstrengung, den feinsten Gesellschafter zu
spielen, niedergehalten worden. Indeß wär' ihm
die Lage nicht unangenehm gewesen, wenn er
nur nicht jede Minute hätte fürchten müssen, daß
sie -- vorbei sei.

Endlich sah er sehr scharf und lange auf den
Strik-Handschuh und wurde so glücklich, sich
einen Faden der Rede daraus zu ziehen; er schöpf¬
te nämlich die Bemerkung aus dem Handschuh,
daß er oft Stundenlang das Stricken besehen, und
doch nie begriffen.

"Es ist doch sehr leicht, Hr. Harnisch"
versezte Wina, nicht spöttisch, sondern unbefan¬
gen, ohne aufzublicken.

Die Anrede: "Herr Harnisch" jagte den
Empfänger derselben wieder in die Denk- und
Schweig-Karthause zurück.-- "Wie kommt's --

Er ſah ſie nicht oft an, aus Scheu vor dem zu¬
faͤlligen Augen-Aufſchlag. Beide ſchwiegen.
Weibliches Schweigen bedeutet — ohnehin als
das gewoͤhnlichere — viel weniger als maͤnnli¬
ches. Die befeuernde Wirkung, welche der Wein
haͤtte auf den Notar thun koͤnnen, war durch
ſeine Anſtrengung, den feinſten Geſellſchafter zu
ſpielen, niedergehalten worden. Indeß waͤr' ihm
die Lage nicht unangenehm geweſen, wenn er
nur nicht jede Minute haͤtte fuͤrchten muͤſſen, daß
ſie — vorbei ſei.

Endlich ſah er ſehr ſcharf und lange auf den
Strik-Handſchuh und wurde ſo gluͤcklich, ſich
einen Faden der Rede daraus zu ziehen; er ſchoͤpf¬
te naͤmlich die Bemerkung aus dem Handſchuh,
daß er oft Stundenlang das Stricken beſehen, und
doch nie begriffen.

„Es iſt doch ſehr leicht, Hr. Harniſch“
verſezte Wina, nicht ſpoͤttiſch, ſondern unbefan¬
gen, ohne aufzublicken.

Die Anrede: „Herr Harniſch“ jagte den
Empfaͤnger derſelben wieder in die Denk- und
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[183/0191] Er ſah ſie nicht oft an, aus Scheu vor dem zu¬ faͤlligen Augen-Aufſchlag. Beide ſchwiegen. Weibliches Schweigen bedeutet — ohnehin als das gewoͤhnlichere — viel weniger als maͤnnli¬ ches. Die befeuernde Wirkung, welche der Wein haͤtte auf den Notar thun koͤnnen, war durch ſeine Anſtrengung, den feinſten Geſellſchafter zu ſpielen, niedergehalten worden. Indeß waͤr' ihm die Lage nicht unangenehm geweſen, wenn er nur nicht jede Minute haͤtte fuͤrchten muͤſſen, daß ſie — vorbei ſei. Endlich ſah er ſehr ſcharf und lange auf den Strik-Handſchuh und wurde ſo gluͤcklich, ſich einen Faden der Rede daraus zu ziehen; er ſchoͤpf¬ te naͤmlich die Bemerkung aus dem Handſchuh, daß er oft Stundenlang das Stricken beſehen, und doch nie begriffen. „Es iſt doch ſehr leicht, Hr. Harniſch“ verſezte Wina, nicht ſpoͤttiſch, ſondern unbefan¬ gen, ohne aufzublicken. Die Anrede: „Herr Harniſch“ jagte den Empfaͤnger derſelben wieder in die Denk- und Schweig-Karthauſe zuruͤck.— „Wie kommt's —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/191>, abgerufen am 27.11.2024.