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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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wußte, daß er in seinem Maule über eine Mus¬
kel-Hebekraft von 200 Pfund zu befehlen habe.

Der Larvenherr war fertig, zeigte endlich
dem Publikum die leere Schüssel und die vollen
Backen des Direkteurs und strich das Wettgeld
mit der Rechten in die Linke, unter der Bitte,
Hr. Fränzel solle, wenn er etwas darwider und
die Semmel schon hinunter habe, blos das Maul
aufmachen. Fränzel that's auch, aber blos um
den teuflischen Fangeball durch das grössere Thor
davon zu schaffen. Der Maskenherr schien froh
zu seyn, und bot dieselbe Wette wieder aus, bei wel¬
cher er glänzende Erleichterungen vorschlug, z. B.
statt einer Semmel blos einen ganzen kleinen Kuh¬
oder Ziegenkäse, kaum Knie- oder Semmel-Schei¬
ben gros, auf einmal in den Mund zu nehmen
und hinabzuessen, während er trinke ut supra;
aber man dachte sehr verdächtig von ihm und
niemand wagte.

Den Notar hätte der Direkteur zu sehr ge¬
dauert, wenn er vorhin die schöne Blondine sanf¬
ter angefahren hätte. Diese saß und nähte, und
hob, so oft sie mit der Nadel aufzog, die grossen

Flegeljahre III. Bd. 10

wußte, daß er in ſeinem Maule uͤber eine Mus¬
kel-Hebekraft von 200 Pfund zu befehlen habe.

Der Larvenherr war fertig, zeigte endlich
dem Publikum die leere Schuͤſſel und die vollen
Backen des Direkteurs und ſtrich das Wettgeld
mit der Rechten in die Linke, unter der Bitte,
Hr. Fraͤnzel ſolle, wenn er etwas darwider und
die Semmel ſchon hinunter habe, blos das Maul
aufmachen. Fraͤnzel that's auch, aber blos um
den teufliſchen Fangeball durch das groͤſſere Thor
davon zu ſchaffen. Der Maskenherr ſchien froh
zu ſeyn, und bot dieſelbe Wette wieder aus, bei wel¬
cher er glaͤnzende Erleichterungen vorſchlug, z. B.
ſtatt einer Semmel blos einen ganzen kleinen Kuh¬
oder Ziegenkaͤſe, kaum Knie- oder Semmel-Schei¬
ben gros, auf einmal in den Mund zu nehmen
und hinabzueſſen, waͤhrend er trinke ut supra;
aber man dachte ſehr verdaͤchtig von ihm und
niemand wagte.

Den Notar haͤtte der Direkteur zu ſehr ge¬
dauert, wenn er vorhin die ſchoͤne Blondine ſanf¬
ter angefahren haͤtte. Dieſe ſaß und naͤhte, und
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Flegeljahre III. Bd. 10
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[145/0153] wußte, daß er in ſeinem Maule uͤber eine Mus¬ kel-Hebekraft von 200 Pfund zu befehlen habe. Der Larvenherr war fertig, zeigte endlich dem Publikum die leere Schuͤſſel und die vollen Backen des Direkteurs und ſtrich das Wettgeld mit der Rechten in die Linke, unter der Bitte, Hr. Fraͤnzel ſolle, wenn er etwas darwider und die Semmel ſchon hinunter habe, blos das Maul aufmachen. Fraͤnzel that's auch, aber blos um den teufliſchen Fangeball durch das groͤſſere Thor davon zu ſchaffen. Der Maskenherr ſchien froh zu ſeyn, und bot dieſelbe Wette wieder aus, bei wel¬ cher er glaͤnzende Erleichterungen vorſchlug, z. B. ſtatt einer Semmel blos einen ganzen kleinen Kuh¬ oder Ziegenkaͤſe, kaum Knie- oder Semmel-Schei¬ ben gros, auf einmal in den Mund zu nehmen und hinabzueſſen, waͤhrend er trinke ut supra; aber man dachte ſehr verdaͤchtig von ihm und niemand wagte. Den Notar haͤtte der Direkteur zu ſehr ge¬ dauert, wenn er vorhin die ſchoͤne Blondine ſanf¬ ter angefahren haͤtte. Dieſe ſaß und naͤhte, und hob, ſo oft ſie mit der Nadel aufzog, die groſſen Flegeljahre III. Bd. 10

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/153>, abgerufen am 24.11.2024.