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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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aus keinem goldnen Christbaum, sondern aus der
Klag-Eiche sei, eine Speiche aus Jxions Rad --
wurd' er erfasset; er handelte dem Bettelmann,
der vom Ernst nicht anders zu überzeugen war,
als durch Geld, den Stab ab, die einzige Nip¬
pe, die der Mann hatte. "Dieser Stab -- sag¬
te Walt zu sich -- soll mich wie ein Zauberstab
verwandeln, und besser als eine Lorenzo-Dose
barmherzig machen, wenn ich je vor dem gros¬
sen Jammer meiner Mitbrüder einst wollte
mit kaltem oder zerstreuetem Herzen vorüber¬
gehn; er wird mich erinnern, wie braun und
welk und müde die Hand war, die ihn tragen
muste.

So sagt' er strafend zu sich; und der weich¬
herzige Mensch warf sich, ungleich den harther¬
zigen, vor, er sei nicht weichherzig genug, indeß
jene sich das Gegentheil schuld geben. Er brauch¬
te dieses Stängeln seiner fruchtbringenden Blu¬
men nicht; aber da, wo diese Wetterstange
selber wächset, auf den Schlachtfeldern, und um
die Lustschlösser vierzehnter Ludwige herum, die
schon gleich mit Zähnen auf der Welt ankom¬

aus keinem goldnen Chriſtbaum, ſondern aus der
Klag-Eiche ſei, eine Speiche aus Jxions Rad —
wurd' er erfaſſet; er handelte dem Bettelmann,
der vom Ernſt nicht anders zu uͤberzeugen war,
als durch Geld, den Stab ab, die einzige Nip¬
pe, die der Mann hatte. „Dieſer Stab — ſag¬
te Walt zu ſich — ſoll mich wie ein Zauberſtab
verwandeln, und beſſer als eine Lorenzo-Doſe
barmherzig machen, wenn ich je vor dem groſ¬
ſen Jammer meiner Mitbruͤder einſt wollte
mit kaltem oder zerſtreuetem Herzen voruͤber¬
gehn; er wird mich erinnern, wie braun und
welk und muͤde die Hand war, die ihn tragen
muſte.

So ſagt' er ſtrafend zu ſich; und der weich¬
herzige Menſch warf ſich, ungleich den harther¬
zigen, vor, er ſei nicht weichherzig genug, indeß
jene ſich das Gegentheil ſchuld geben. Er brauch¬
te dieſes Staͤngeln ſeiner fruchtbringenden Blu¬
men nicht; aber da, wo dieſe Wetterſtange
ſelber waͤchſet, auf den Schlachtfeldern, und um
die Luſtſchloͤſſer vierzehnter Ludwige herum, die
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[103/0111] aus keinem goldnen Chriſtbaum, ſondern aus der Klag-Eiche ſei, eine Speiche aus Jxions Rad — wurd' er erfaſſet; er handelte dem Bettelmann, der vom Ernſt nicht anders zu uͤberzeugen war, als durch Geld, den Stab ab, die einzige Nip¬ pe, die der Mann hatte. „Dieſer Stab — ſag¬ te Walt zu ſich — ſoll mich wie ein Zauberſtab verwandeln, und beſſer als eine Lorenzo-Doſe barmherzig machen, wenn ich je vor dem groſ¬ ſen Jammer meiner Mitbruͤder einſt wollte mit kaltem oder zerſtreuetem Herzen voruͤber¬ gehn; er wird mich erinnern, wie braun und welk und muͤde die Hand war, die ihn tragen muſte. So ſagt' er ſtrafend zu ſich; und der weich¬ herzige Menſch warf ſich, ungleich den harther¬ zigen, vor, er ſei nicht weichherzig genug, indeß jene ſich das Gegentheil ſchuld geben. Er brauch¬ te dieſes Staͤngeln ſeiner fruchtbringenden Blu¬ men nicht; aber da, wo dieſe Wetterſtange ſelber waͤchſet, auf den Schlachtfeldern, und um die Luſtſchloͤſſer vierzehnter Ludwige herum, die ſchon gleich mit Zaͤhnen auf der Welt ankom¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/111>, abgerufen am 27.11.2024.