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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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und zu befragen scheuete, einzeln heraus kämen.
Da stand ein junges schnippisches dreizehnjähri¬
ges Fuhrmännlein in blauem Hemde und dicker
weisser Schlafmütze auf, drehte ganz heimlich
des Wirths Sand-Uhr um, und wollte dem
Mann im eigentlichen Sinne (denn es war erst ein
Drittel Stunden-Sand verlaufen) die Zeit ver¬
treiben.

Aber der Notar fuhr erbosset hinzu und
kehrte die Umkehrung um, viel zu unvermögend,
ein hämisches Unrecht, das er gegen sich erdul¬
den konnte, gegen einen andern zu ertragen.

Diese Hitze sezt' ihn in Stand, den Zettel
vor der ganzen table d' hote empor zu heben
und auszurufen, ob ihn jemand verloren. Ich
Herr, sagte ein langer herüber gestrekter Arm,
und ergrif ihn, und nikte Einmal kurz mit dem
Kopfe statt der warmen Danksagung, auf die
Walt aufgesehen.

Auf dem Fenster sah er neben der Uhr das
Schreibbuch des Wirths-Kindes liegen, dem zu
drei Zeilen die drei Worte Gott -- Walt --
Harnisch vorgezeichnet waren. Er war sehr

und zu befragen ſcheuete, einzeln heraus kaͤmen.
Da ſtand ein junges ſchnippiſches dreizehnjaͤhri¬
ges Fuhrmaͤnnlein in blauem Hemde und dicker
weiſſer Schlafmuͤtze auf, drehte ganz heimlich
des Wirths Sand-Uhr um, und wollte dem
Mann im eigentlichen Sinne (denn es war erſt ein
Drittel Stunden-Sand verlaufen) die Zeit ver¬
treiben.

Aber der Notar fuhr erboſſet hinzu und
kehrte die Umkehrung um, viel zu unvermoͤgend,
ein haͤmiſches Unrecht, das er gegen ſich erdul¬
den konnte, gegen einen andern zu ertragen.

Dieſe Hitze ſezt' ihn in Stand, den Zettel
vor der ganzen table d' hôte empor zu heben
und auszurufen, ob ihn jemand verloren. Ich
Herr, ſagte ein langer heruͤber geſtrekter Arm,
und ergrif ihn, und nikte Einmal kurz mit dem
Kopfe ſtatt der warmen Dankſagung, auf die
Walt aufgeſehen.

Auf dem Fenſter ſah er neben der Uhr das
Schreibbuch des Wirths-Kindes liegen, dem zu
drei Zeilen die drei Worte Gott — Walt —
Harniſch vorgezeichnet waren. Er war ſehr

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[101/0109] und zu befragen ſcheuete, einzeln heraus kaͤmen. Da ſtand ein junges ſchnippiſches dreizehnjaͤhri¬ ges Fuhrmaͤnnlein in blauem Hemde und dicker weiſſer Schlafmuͤtze auf, drehte ganz heimlich des Wirths Sand-Uhr um, und wollte dem Mann im eigentlichen Sinne (denn es war erſt ein Drittel Stunden-Sand verlaufen) die Zeit ver¬ treiben. Aber der Notar fuhr erboſſet hinzu und kehrte die Umkehrung um, viel zu unvermoͤgend, ein haͤmiſches Unrecht, das er gegen ſich erdul¬ den konnte, gegen einen andern zu ertragen. Dieſe Hitze ſezt' ihn in Stand, den Zettel vor der ganzen table d' hôte empor zu heben und auszurufen, ob ihn jemand verloren. Ich Herr, ſagte ein langer heruͤber geſtrekter Arm, und ergrif ihn, und nikte Einmal kurz mit dem Kopfe ſtatt der warmen Dankſagung, auf die Walt aufgeſehen. Auf dem Fenſter ſah er neben der Uhr das Schreibbuch des Wirths-Kindes liegen, dem zu drei Zeilen die drei Worte Gott — Walt — Harniſch vorgezeichnet waren. Er war ſehr

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/109>, abgerufen am 23.11.2024.