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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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durch Zeichen wirken lies, so war sie doch zu se¬
hen; sein häufiges Kommen, sein Nachgeben,
seine Milde, seine Helfbegierde, und bei dem
Abschiede -- wenn er eben schnell genug die Trep¬
pe und Unsichtbarkeit erwischen konnte -- oft
sein Bruder-Kuß verriethen sein Inneres. "Nie¬
mand, sagte einst Walt zu ihm, kann rührender
aussehen als du, wenn du eben die Milde in dei¬
ne Feueraugen bringst; so kamen mir immer die
Sparter vor, wenn sie mit ihren Flöten auf das
Schlachtfeld zogen." -- "Es muß mir freilich
lassen, sagte er, als wenn ein Seehund Mama
sagt *), ja ich möchte es fast einen leisen pianen
Sturmwind nennen. Aber ernsthaft zu sprechen,
ich bin jezt noch bei Konzert-Geld und deswe¬
gen ein gutes frohes Lamm; mein Leben ist ein
Buch voll geschlagnen Golds, die Blätter sind
so weich und so beweglich, freilich Gold-Blät¬
gen auch, mein Kind!"

Walt nahm solche Reden gar nicht übel.
Soweit indeß auch Vult das Lieben trieb -- da er

*) Nach Bechstein lernt er Worte Papa etc. mur¬
meln.

durch Zeichen wirken lies, ſo war ſie doch zu ſe¬
hen; ſein haͤufiges Kommen, ſein Nachgeben,
ſeine Milde, ſeine Helfbegierde, und bei dem
Abſchiede — wenn er eben ſchnell genug die Trep¬
pe und Unſichtbarkeit erwiſchen konnte — oft
ſein Bruder-Kuß verriethen ſein Inneres. „Nie¬
mand, ſagte einſt Walt zu ihm, kann ruͤhrender
ausſehen als du, wenn du eben die Milde in dei¬
ne Feueraugen bringſt; ſo kamen mir immer die
Sparter vor, wenn ſie mit ihren Floͤten auf das
Schlachtfeld zogen.“ — „Es muß mir freilich
laſſen, ſagte er, als wenn ein Seehund Mama
ſagt *), ja ich moͤchte es faſt einen leiſen pianen
Sturmwind nennen. Aber ernſthaft zu ſprechen,
ich bin jezt noch bei Konzert-Geld und deswe¬
gen ein gutes frohes Lamm; mein Leben iſt ein
Buch voll geſchlagnen Golds, die Blaͤtter ſind
ſo weich und ſo beweglich, freilich Gold-Blaͤt¬
gen auch, mein Kind!“

Walt nahm ſolche Reden gar nicht uͤbel.
Soweit indeß auch Vult das Lieben trieb — da er

*) Nach Bechſtein lernt er Worte Papa ꝛc. mur¬
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[2/0010] durch Zeichen wirken lies, ſo war ſie doch zu ſe¬ hen; ſein haͤufiges Kommen, ſein Nachgeben, ſeine Milde, ſeine Helfbegierde, und bei dem Abſchiede — wenn er eben ſchnell genug die Trep¬ pe und Unſichtbarkeit erwiſchen konnte — oft ſein Bruder-Kuß verriethen ſein Inneres. „Nie¬ mand, ſagte einſt Walt zu ihm, kann ruͤhrender ausſehen als du, wenn du eben die Milde in dei¬ ne Feueraugen bringſt; ſo kamen mir immer die Sparter vor, wenn ſie mit ihren Floͤten auf das Schlachtfeld zogen.“ — „Es muß mir freilich laſſen, ſagte er, als wenn ein Seehund Mama ſagt *), ja ich moͤchte es faſt einen leiſen pianen Sturmwind nennen. Aber ernſthaft zu ſprechen, ich bin jezt noch bei Konzert-Geld und deswe¬ gen ein gutes frohes Lamm; mein Leben iſt ein Buch voll geſchlagnen Golds, die Blaͤtter ſind ſo weich und ſo beweglich, freilich Gold-Blaͤt¬ gen auch, mein Kind!“ Walt nahm ſolche Reden gar nicht uͤbel. Soweit indeß auch Vult das Lieben trieb — da er *) Nach Bechſtein lernt er Worte Papa ꝛc. mur¬ meln.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/10>, abgerufen am 21.11.2024.