eine den andern verschlingen, und dann bleibt im einzigen Staate auf der Kugel Friede, und die Vaterlandsliebe ist Menschenliebe ge¬ worden.
Glanz glaubte beim Dessert wenigstens so viel äussern zu dürfen, daß es gut sei, daß die Aufklärung den Hexenglauben vertrieben.
Klothar entgegnete: "noch nicht einmal un¬ tersucht hat sie ihn." Glanz schüttelte leicht. "Ich weiß nicht, fuhr jener fort, welche von zwei Meinungen Sie haben, aber da Sie nur eine von beiden hegen können, -- entweder die, daß alles Trug des Zeitalters, oder die, daß etwas Wunderbares bei der Sache ist: so müssen Sie in beiden Fällen irren."
Glanz schüttelte sehr, äusserte aber, er sei wie jeder Vernünftige der ersten Meinung.
Klothar versezte: "die Wundergeschichte der Hexen ist eben so historisch bewiesen, als die der griechischen Orakel im Herodot; und diese ists gerade so sehr als überhaupt alle Geschichte. Auch Herodot unterscheidet sehr die wahren von den bestochenen Orakeln. In jedem Falle war
eine den andern verſchlingen, und dann bleibt im einzigen Staate auf der Kugel Friede, und die Vaterlandsliebe iſt Menſchenliebe ge¬ worden.
Glanz glaubte beim Deſſert wenigſtens ſo viel aͤuſſern zu duͤrfen, daß es gut ſei, daß die Aufklaͤrung den Hexenglauben vertrieben.
Klothar entgegnete: „noch nicht einmal un¬ terſucht hat ſie ihn.” Glanz ſchuͤttelte leicht. „Ich weiß nicht, fuhr jener fort, welche von zwei Meinungen Sie haben, aber da Sie nur eine von beiden hegen koͤnnen, — entweder die, daß alles Trug des Zeitalters, oder die, daß etwas Wunderbares bei der Sache iſt: ſo muͤſſen Sie in beiden Faͤllen irren.”
Glanz ſchuͤttelte ſehr, aͤuſſerte aber, er ſei wie jeder Vernuͤnftige der erſten Meinung.
Klothar verſezte: „die Wundergeſchichte der Hexen iſt eben ſo hiſtoriſch bewieſen, als die der griechiſchen Orakel im Herodot; und dieſe iſts gerade ſo ſehr als uͤberhaupt alle Geſchichte. Auch Herodot unterſcheidet ſehr die wahren von den beſtochenen Orakeln. In jedem Falle war
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eine den andern verſchlingen, und dann bleibt
im einzigen Staate auf der Kugel Friede,
und die Vaterlandsliebe iſt Menſchenliebe ge¬
worden.
Glanz glaubte beim Deſſert wenigſtens ſo
viel aͤuſſern zu duͤrfen, daß es gut ſei, daß die
Aufklaͤrung den Hexenglauben vertrieben.
Klothar entgegnete: „noch nicht einmal un¬
terſucht hat ſie ihn.” Glanz ſchuͤttelte leicht.
„Ich weiß nicht, fuhr jener fort, welche von
zwei Meinungen Sie haben, aber da Sie nur
eine von beiden hegen koͤnnen, — entweder die,
daß alles Trug des Zeitalters, oder die, daß
etwas Wunderbares bei der Sache iſt: ſo muͤſſen
Sie in beiden Faͤllen irren.”
Glanz ſchuͤttelte ſehr, aͤuſſerte aber, er ſei
wie jeder Vernuͤnftige der erſten Meinung.
Klothar verſezte: „die Wundergeſchichte der
Hexen iſt eben ſo hiſtoriſch bewieſen, als die
der griechiſchen Orakel im Herodot; und dieſe iſts
gerade ſo ſehr als uͤberhaupt alle Geſchichte.
Auch Herodot unterſcheidet ſehr die wahren von
den beſtochenen Orakeln. In jedem Falle war
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/91>, abgerufen am 20.07.2024.
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