wäre dieses belasteter als in der Jugend? -- Aber ferner: der Bauer trägt eben so viele Ideen in seinem Gedächtnis als der Gelehrte, nur ande¬ re, Sachen, Bäume, Aecker, Menschen. Ueber¬ ladung des Gedächtnisses kann also nichts heißen als versäumte Kultur anderer Kräfte."
Glanz äusserte, man könne bei den End¬ absichten leicht sich Voltairens Spotte ausse¬ zen, daß die Nase für die Brille geschaffen sei.
Klothar versezte: "Und das ist die Nase auch: sobald alle Kräfte einer Welt berechnet wurden, muste auch die Kraft in Anschlag kom¬ men, Gläser zu schleifen."
Glanz äusserte: er sei ja dafür und finde in allen seinen gedruckten Reden in der künstlichen Weltordnung einen unendlichen Verstand.
Klothar fragte: Was soll gedachter Ver¬ stand dabei sein?
Glanz äusserte: "die Ursache."
Jener entgegnete: "jede künstliche Ordnung, z. B. im Körperbau, erklären Sie doch jezt aus blinden Kräften, nicht aus einer fremden Schöpfung, diese Kräfte wieder aus blinden,
waͤre dieſes belaſteter als in der Jugend? — Aber ferner: der Bauer traͤgt eben ſo viele Ideen in ſeinem Gedaͤchtnis als der Gelehrte, nur ande¬ re, Sachen, Baͤume, Aecker, Menſchen. Ueber¬ ladung des Gedaͤchtniſſes kann alſo nichts heißen als verſaͤumte Kultur anderer Kraͤfte.“
Glanz aͤuſſerte, man koͤnne bei den End¬ abſichten leicht ſich Voltairens Spotte ausſe¬ zen, daß die Naſe fuͤr die Brille geſchaffen ſei.
Klothar verſezte: „Und das iſt die Naſe auch: ſobald alle Kraͤfte einer Welt berechnet wurden, muſte auch die Kraft in Anſchlag kom¬ men, Glaͤſer zu ſchleifen.“
Glanz aͤuſſerte: er ſei ja dafuͤr und finde in allen ſeinen gedruckten Reden in der kuͤnſtlichen Weltordnung einen unendlichen Verſtand.
Klothar fragte: Was ſoll gedachter Ver¬ ſtand dabei ſein?
Glanz aͤuſſerte: „die Urſache.“
Jener entgegnete: „jede kuͤnſtliche Ordnung, z. B. im Koͤrperbau, erklaͤren Sie doch jezt aus blinden Kraͤften, nicht aus einer fremden Schoͤpfung, dieſe Kraͤfte wieder aus blinden,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0089"n="81"/>
waͤre dieſes belaſteter als in der Jugend? — Aber<lb/>
ferner: der Bauer traͤgt eben ſo viele Ideen in<lb/>ſeinem Gedaͤchtnis als der Gelehrte, nur ande¬<lb/>
re, Sachen, Baͤume, Aecker, Menſchen. Ueber¬<lb/>
ladung des Gedaͤchtniſſes kann alſo nichts heißen<lb/>
als verſaͤumte Kultur anderer Kraͤfte.“</p><lb/><p>Glanz aͤuſſerte, man koͤnne bei den End¬<lb/>
abſichten leicht ſich Voltairens Spotte ausſe¬<lb/>
zen, daß die Naſe fuͤr die Brille geſchaffen ſei.</p><lb/><p>Klothar verſezte: „Und das iſt die Naſe<lb/>
auch: ſobald alle Kraͤfte einer Welt berechnet<lb/>
wurden, muſte auch die Kraft in Anſchlag kom¬<lb/>
men, Glaͤſer zu ſchleifen.“</p><lb/><p>Glanz aͤuſſerte: er ſei ja dafuͤr und finde in<lb/>
allen ſeinen gedruckten Reden in der kuͤnſtlichen<lb/>
Weltordnung einen unendlichen Verſtand.</p><lb/><p>Klothar fragte: Was ſoll gedachter Ver¬<lb/>ſtand dabei ſein?</p><lb/><p>Glanz aͤuſſerte: „die Urſache.“</p><lb/><p>Jener entgegnete: „jede kuͤnſtliche Ordnung,<lb/>
z. B. im Koͤrperbau, erklaͤren Sie doch jezt<lb/>
aus blinden Kraͤften, nicht aus einer fremden<lb/>
Schoͤpfung, dieſe Kraͤfte wieder aus blinden,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[81/0089]
waͤre dieſes belaſteter als in der Jugend? — Aber
ferner: der Bauer traͤgt eben ſo viele Ideen in
ſeinem Gedaͤchtnis als der Gelehrte, nur ande¬
re, Sachen, Baͤume, Aecker, Menſchen. Ueber¬
ladung des Gedaͤchtniſſes kann alſo nichts heißen
als verſaͤumte Kultur anderer Kraͤfte.“
Glanz aͤuſſerte, man koͤnne bei den End¬
abſichten leicht ſich Voltairens Spotte ausſe¬
zen, daß die Naſe fuͤr die Brille geſchaffen ſei.
Klothar verſezte: „Und das iſt die Naſe
auch: ſobald alle Kraͤfte einer Welt berechnet
wurden, muſte auch die Kraft in Anſchlag kom¬
men, Glaͤſer zu ſchleifen.“
Glanz aͤuſſerte: er ſei ja dafuͤr und finde in
allen ſeinen gedruckten Reden in der kuͤnſtlichen
Weltordnung einen unendlichen Verſtand.
Klothar fragte: Was ſoll gedachter Ver¬
ſtand dabei ſein?
Glanz aͤuſſerte: „die Urſache.“
Jener entgegnete: „jede kuͤnſtliche Ordnung,
z. B. im Koͤrperbau, erklaͤren Sie doch jezt
aus blinden Kraͤften, nicht aus einer fremden
Schoͤpfung, dieſe Kraͤfte wieder aus blinden,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/89>, abgerufen am 19.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.