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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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hatte der hinkende Referent schon zu Papier ge¬
bracht -- und nun läutete die Abendglocke. -- Mit
Wuth warf der Notar den Stimmhammer ins
Zimmer und rief: "der Donner unds . . . . . .
Was ist das? -- Doch der bürgerliche und der
kanonische Tag ist jezt zu Ende, Herr Inspektor,
und alles; die Saiten zahl' ich."

Am Morgen darauf wurde ihm von Hrn.
Kuhnold der geheime Artikel des Regulier-Ta¬
rifs eröfnet, welcher bestimmt verordnete, daß
ihn jede Saite, die er im Erb-Amte des Stim¬
mens zerrissen hätte, ein Beet der Erb-Aecker
kosten sollte, so daß er jezt, nach dem Protokoll
des Hinck-Notars, um zwei und dreißig Saiten
oder Beete ärmer war. Walt erschrack ungemein
seines Vaters wegen. Aber als er dem regieren¬
den redlichen Burgermeister in das traurige Ge¬
sicht recht sah, errieth er etwas, nämlich dessen
ganze gestrige Güte, die ihm durch ein hoch ge¬
spanntes Instrument und durch jede andere Er¬
leichterung und durch die Entfernung der schö¬
nen Töchter so wohl die Gelegenheit zu Saiten-
Rissen im eignen Hause abschnitt, als auch ein

hatte der hinkende Referent ſchon zu Papier ge¬
bracht — und nun laͤutete die Abendglocke. — Mit
Wuth warf der Notar den Stimmhammer ins
Zimmer und rief: „der Donner unds . . . . . .
Was iſt das? — Doch der buͤrgerliche und der
kanoniſche Tag iſt jezt zu Ende, Herr Inſpektor,
und alles; die Saiten zahl' ich.“

Am Morgen darauf wurde ihm von Hrn.
Kuhnold der geheime Artikel des Regulier-Ta¬
rifs eroͤfnet, welcher beſtimmt verordnete, daß
ihn jede Saite, die er im Erb-Amte des Stim¬
mens zerriſſen haͤtte, ein Beet der Erb-Aecker
koſten ſollte, ſo daß er jezt, nach dem Protokoll
des Hinck-Notars, um zwei und dreißig Saiten
oder Beete aͤrmer war. Walt erſchrack ungemein
ſeines Vaters wegen. Aber als er dem regieren¬
den redlichen Burgermeiſter in das traurige Ge¬
ſicht recht ſah, errieth er etwas, naͤmlich deſſen
ganze geſtrige Guͤte, die ihm durch ein hoch ge¬
ſpanntes Inſtrument und durch jede andere Er¬
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[53/0061] hatte der hinkende Referent ſchon zu Papier ge¬ bracht — und nun laͤutete die Abendglocke. — Mit Wuth warf der Notar den Stimmhammer ins Zimmer und rief: „der Donner unds . . . . . . Was iſt das? — Doch der buͤrgerliche und der kanoniſche Tag iſt jezt zu Ende, Herr Inſpektor, und alles; die Saiten zahl' ich.“ Am Morgen darauf wurde ihm von Hrn. Kuhnold der geheime Artikel des Regulier-Ta¬ rifs eroͤfnet, welcher beſtimmt verordnete, daß ihn jede Saite, die er im Erb-Amte des Stim¬ mens zerriſſen haͤtte, ein Beet der Erb-Aecker koſten ſollte, ſo daß er jezt, nach dem Protokoll des Hinck-Notars, um zwei und dreißig Saiten oder Beete aͤrmer war. Walt erſchrack ungemein ſeines Vaters wegen. Aber als er dem regieren¬ den redlichen Burgermeiſter in das traurige Ge¬ ſicht recht ſah, errieth er etwas, naͤmlich deſſen ganze geſtrige Guͤte, die ihm durch ein hoch ge¬ ſpanntes Inſtrument und durch jede andere Er¬ leichterung und durch die Entfernung der ſchoͤ¬ nen Toͤchter ſo wohl die Gelegenheit zu Saiten- Riſſen im eignen Hauſe abſchnitt, als auch ein

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/61>, abgerufen am 28.11.2024.