Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

jede Stunde sein Mieth-Pantalon, und lies bei¬
de fast eine ganze lauern. Es verschnupfte or¬
dentlich den hinkenden Notar, der noch dazu nicht
faste, wie der stimmende den Edelmann so lieb¬
reich anschauen konnte. Walt schrieb alles dem
brüderlichen Sehnen nach Wiedersehen zu, indeß
Vult dabei die Absicht hatte, dem Tage und
Band-Wurm, der an der Erbschaft fras, ein
Stück abzureissen. Endlich lies er beide unver¬
richteter Sache abziehen, nachdem er sie ein Paar¬
mal gefragt, ob sie noch da wären, weil er sie
nicht höre in seiner Blindheit.

Sie kamen zu einer verwittibten schönen Stik¬
junkerin, die sich mit ihrem Stikrahmen (eine
Paukendecke stikte sie) sehr nahe an das gleissend¬
gebohnte Klavier sezte, das sie ihn vielleicht stim¬
men lies, um ihn für sich zu stimmen. Er
horchte so vergnügt auf ihre Anreden, daß er ein¬
mal den Stimmhammer auf den Sangboden
fallen lies und ein Paar Seiten abdrehte. Am
Ende des Geschäfts zeigte sie ihm das musikali¬
sche Würfelspiel und bat ihn, damit zur Probe
zu komponiren. Er thats und spielte seine erste
Komposizion vom Blatte; er wollte noch län¬

jede Stunde ſein Mieth-Pantalon, und lies bei¬
de faſt eine ganze lauern. Es verſchnupfte or¬
dentlich den hinkenden Notar, der noch dazu nicht
faſte, wie der ſtimmende den Edelmann ſo lieb¬
reich anſchauen konnte. Walt ſchrieb alles dem
bruͤderlichen Sehnen nach Wiederſehen zu, indeß
Vult dabei die Abſicht hatte, dem Tage und
Band-Wurm, der an der Erbſchaft fras, ein
Stuͤck abzureiſſen. Endlich lies er beide unver¬
richteter Sache abziehen, nachdem er ſie ein Paar¬
mal gefragt, ob ſie noch da waͤren, weil er ſie
nicht hoͤre in ſeiner Blindheit.

Sie kamen zu einer verwittibten ſchoͤnen Stik¬
junkerin, die ſich mit ihrem Stikrahmen (eine
Paukendecke ſtikte ſie) ſehr nahe an das gleiſſend¬
gebohnte Klavier ſezte, das ſie ihn vielleicht ſtim¬
men lies, um ihn fuͤr ſich zu ſtimmen. Er
horchte ſo vergnuͤgt auf ihre Anreden, daß er ein¬
mal den Stimmhammer auf den Sangboden
fallen lies und ein Paar Seiten abdrehte. Am
Ende des Geſchaͤfts zeigte ſie ihm das muſikali¬
ſche Wuͤrfelſpiel und bat ihn, damit zur Probe
zu komponiren. Er thats und ſpielte ſeine erſte
Kompoſizion vom Blatte; er wollte noch laͤn¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0053" n="45"/>
jede Stunde &#x017F;ein Mieth-Pantalon, und lies bei¬<lb/>
de fa&#x017F;t eine ganze lauern. Es ver&#x017F;chnupfte or¬<lb/>
dentlich den hinkenden Notar, der noch dazu nicht<lb/>
fa&#x017F;te, wie der &#x017F;timmende den Edelmann &#x017F;o lieb¬<lb/>
reich an&#x017F;chauen konnte. Walt &#x017F;chrieb alles dem<lb/>
bru&#x0364;derlichen Sehnen nach Wieder&#x017F;ehen zu, indeß<lb/>
Vult dabei die Ab&#x017F;icht hatte, dem Tage und<lb/>
Band-Wurm, der an der Erb&#x017F;chaft fras, ein<lb/>
Stu&#x0364;ck abzurei&#x017F;&#x017F;en. Endlich lies er beide unver¬<lb/>
richteter Sache abziehen, nachdem er &#x017F;ie ein Paar¬<lb/>
mal gefragt, ob &#x017F;ie noch da wa&#x0364;ren, weil er &#x017F;ie<lb/>
nicht ho&#x0364;re in &#x017F;einer Blindheit.</p><lb/>
        <p>Sie kamen zu einer verwittibten &#x017F;cho&#x0364;nen Stik¬<lb/>
junkerin, die &#x017F;ich mit ihrem Stikrahmen (eine<lb/>
Paukendecke &#x017F;tikte &#x017F;ie) &#x017F;ehr nahe an das glei&#x017F;&#x017F;end¬<lb/>
gebohnte Klavier &#x017F;ezte, das &#x017F;ie ihn vielleicht &#x017F;tim¬<lb/>
men lies, um ihn fu&#x0364;r &#x017F;ich zu &#x017F;timmen. Er<lb/>
horchte &#x017F;o vergnu&#x0364;gt auf ihre Anreden, daß er ein¬<lb/>
mal den Stimmhammer auf den Sangboden<lb/>
fallen lies und ein Paar Seiten abdrehte. Am<lb/>
Ende des Ge&#x017F;cha&#x0364;fts zeigte &#x017F;ie ihm das mu&#x017F;ikali¬<lb/>
&#x017F;che Wu&#x0364;rfel&#x017F;piel und bat ihn, damit zur Probe<lb/>
zu komponiren. Er thats und &#x017F;pielte &#x017F;eine er&#x017F;te<lb/>
Kompo&#x017F;izion vom Blatte; er wollte noch la&#x0364;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0053] jede Stunde ſein Mieth-Pantalon, und lies bei¬ de faſt eine ganze lauern. Es verſchnupfte or¬ dentlich den hinkenden Notar, der noch dazu nicht faſte, wie der ſtimmende den Edelmann ſo lieb¬ reich anſchauen konnte. Walt ſchrieb alles dem bruͤderlichen Sehnen nach Wiederſehen zu, indeß Vult dabei die Abſicht hatte, dem Tage und Band-Wurm, der an der Erbſchaft fras, ein Stuͤck abzureiſſen. Endlich lies er beide unver¬ richteter Sache abziehen, nachdem er ſie ein Paar¬ mal gefragt, ob ſie noch da waͤren, weil er ſie nicht hoͤre in ſeiner Blindheit. Sie kamen zu einer verwittibten ſchoͤnen Stik¬ junkerin, die ſich mit ihrem Stikrahmen (eine Paukendecke ſtikte ſie) ſehr nahe an das gleiſſend¬ gebohnte Klavier ſezte, das ſie ihn vielleicht ſtim¬ men lies, um ihn fuͤr ſich zu ſtimmen. Er horchte ſo vergnuͤgt auf ihre Anreden, daß er ein¬ mal den Stimmhammer auf den Sangboden fallen lies und ein Paar Seiten abdrehte. Am Ende des Geſchaͤfts zeigte ſie ihm das muſikali¬ ſche Wuͤrfelſpiel und bat ihn, damit zur Probe zu komponiren. Er thats und ſpielte ſeine erſte Kompoſizion vom Blatte; er wollte noch laͤn¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/53
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/53>, abgerufen am 22.11.2024.