Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Freundschaft; zum Sakerment, wenn von sol¬
chen Personen nicht der eine Zwilling sagen dürf¬
te, er sei mit dem andern geistig genug verwandt,
Walt, wo wäre denn noch Verwandtschaft zu ha¬
ben auf Erden? Kann es denn, du ordentlicher
Bruder-Mörder, frühere, nähere, ältere, pein¬
lichere Freundschaften geben, als bei solchen
Zwillingen? O Gott, du lachst ja über Gerühr¬
te!" schloß er wild und fuhr heftig mit der gan¬
zen breiten Hand über die Augenknochen.

"Da wär' ich ja der Hölle werth, rief Walt
und fieng dessen Hand, um sie auf sein nasses
Auge zu decken -- O Bruder, Bruder, weißt du
es denn nie, wie ich dich fasse und deinen
weichen Geist im stärksten Scherz? Ach wie
ist dein Inneres so schön und mild, und
warum weiß es denn nicht die ganze Welt? --
Darum aber, was wär' ich, wenn ich es lit¬
te, was du bei Klothar wagen wolltest für
mich? Nein, fremde Opfer mag man wohl an¬
nehmen, um von Martern loszukommen, aber
nie, um mit ihnen Freuden einzukaufen. Die
Sache geht nicht, guter Vult!"

Freundſchaft; zum Sakerment, wenn von ſol¬
chen Perſonen nicht der eine Zwilling ſagen duͤrf¬
te, er ſei mit dem andern geiſtig genug verwandt,
Walt, wo waͤre denn noch Verwandtſchaft zu ha¬
ben auf Erden? Kann es denn, du ordentlicher
Bruder-Moͤrder, fruͤhere, naͤhere, aͤltere, pein¬
lichere Freundſchaften geben, als bei ſolchen
Zwillingen? O Gott, du lachſt ja uͤber Geruͤhr¬
te!“ ſchloß er wild und fuhr heftig mit der gan¬
zen breiten Hand uͤber die Augenknochen.

„Da waͤr' ich ja der Hoͤlle werth, rief Walt
und fieng deſſen Hand, um ſie auf ſein naſſes
Auge zu decken — O Bruder, Bruder, weißt du
es denn nie, wie ich dich faſſe und deinen
weichen Geiſt im ſtaͤrkſten Scherz? Ach wie
iſt dein Inneres ſo ſchoͤn und mild, und
warum weiß es denn nicht die ganze Welt? —
Darum aber, was waͤr' ich, wenn ich es lit¬
te, was du bei Klothar wagen wollteſt fuͤr
mich? Nein, fremde Opfer mag man wohl an¬
nehmen, um von Martern loszukommen, aber
nie, um mit ihnen Freuden einzukaufen. Die
Sache geht nicht, guter Vult!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="200"/>
Freund&#x017F;chaft; zum Sakerment, wenn von &#x017F;ol¬<lb/>
chen Per&#x017F;onen nicht der eine Zwilling &#x017F;agen du&#x0364;rf¬<lb/>
te, er &#x017F;ei mit dem andern gei&#x017F;tig genug verwandt,<lb/>
Walt, wo wa&#x0364;re denn noch Verwandt&#x017F;chaft zu ha¬<lb/>
ben auf Erden? Kann es denn, du ordentlicher<lb/>
Bruder-Mo&#x0364;rder, fru&#x0364;here, na&#x0364;here, a&#x0364;ltere, pein¬<lb/>
lichere Freund&#x017F;chaften geben, als bei &#x017F;olchen<lb/>
Zwillingen? O Gott, du lach&#x017F;t ja u&#x0364;ber Geru&#x0364;hr¬<lb/>
te!&#x201C; &#x017F;chloß er wild und fuhr heftig mit der gan¬<lb/>
zen breiten Hand u&#x0364;ber die Augenknochen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Da wa&#x0364;r' ich ja der Ho&#x0364;lle werth, rief Walt<lb/>
und fieng de&#x017F;&#x017F;en Hand, um &#x017F;ie auf &#x017F;ein na&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Auge zu decken &#x2014; O Bruder, Bruder, weißt du<lb/>
es denn nie, wie ich dich fa&#x017F;&#x017F;e und deinen<lb/>
weichen Gei&#x017F;t im &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Scherz? Ach wie<lb/>
i&#x017F;t dein Inneres &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n und mild, und<lb/>
warum weiß es denn nicht die ganze Welt? &#x2014;<lb/>
Darum aber, was wa&#x0364;r' ich, wenn ich es lit¬<lb/>
te, was du bei Klothar wagen wollte&#x017F;t fu&#x0364;r<lb/>
mich? Nein, fremde Opfer mag man wohl an¬<lb/>
nehmen, um von Martern loszukommen, aber<lb/>
nie, um mit ihnen Freuden einzukaufen. Die<lb/>
Sache geht nicht, guter Vult!&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0208] Freundſchaft; zum Sakerment, wenn von ſol¬ chen Perſonen nicht der eine Zwilling ſagen duͤrf¬ te, er ſei mit dem andern geiſtig genug verwandt, Walt, wo waͤre denn noch Verwandtſchaft zu ha¬ ben auf Erden? Kann es denn, du ordentlicher Bruder-Moͤrder, fruͤhere, naͤhere, aͤltere, pein¬ lichere Freundſchaften geben, als bei ſolchen Zwillingen? O Gott, du lachſt ja uͤber Geruͤhr¬ te!“ ſchloß er wild und fuhr heftig mit der gan¬ zen breiten Hand uͤber die Augenknochen. „Da waͤr' ich ja der Hoͤlle werth, rief Walt und fieng deſſen Hand, um ſie auf ſein naſſes Auge zu decken — O Bruder, Bruder, weißt du es denn nie, wie ich dich faſſe und deinen weichen Geiſt im ſtaͤrkſten Scherz? Ach wie iſt dein Inneres ſo ſchoͤn und mild, und warum weiß es denn nicht die ganze Welt? — Darum aber, was waͤr' ich, wenn ich es lit¬ te, was du bei Klothar wagen wollteſt fuͤr mich? Nein, fremde Opfer mag man wohl an¬ nehmen, um von Martern loszukommen, aber nie, um mit ihnen Freuden einzukaufen. Die Sache geht nicht, guter Vult!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/208
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/208>, abgerufen am 23.11.2024.