Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.geistige oder kanonische Verwandtschaft, dächt' Walt schüttelte. "Was, fuhr der Flöten¬ geiſtige oder kanoniſche Verwandtſchaft, daͤcht' Walt ſchuͤttelte. „Was, fuhr der Floͤten¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0207" n="199"/> geiſtige oder kanoniſche Verwandtſchaft, daͤcht'<lb/> ich, gaͤlte wohl hienieden, da ja unſer Herrgott<lb/> ſelber eine dergleichen mit uns Beſtien im Allge¬<lb/> meinen verſtattet und ſich unſern Vater nennen<lb/> laͤßt. — Iſt dieſe Verwandtſchaft nicht wahr?“</p><lb/> <p>Walt ſchuͤttelte. „Was, fuhr der Floͤten¬<lb/> ſpieler fort, es waͤre nicht ſo, naͤmlich daß wir<lb/> uns geiſtig verbruͤderten? O Zwilling, wer iſt<lb/> verwandter, bedencke? Wenn Koͤrper Seelen<lb/> ruͤnden und Herzen gatten, ſo daͤcht' ich, ein<lb/> Paar Zwillinge — um neun Monate fruͤher ein¬<lb/> ander verſchwiſtert als alle andere Kinder — in<lb/> ihrer zweiſchlaͤferigen Bett'ſtelle des erſten Schla¬<lb/> fes ohne Traum — theilend alle und die fruͤhe¬<lb/> ſten und wichtigſten Schickſale ihres Lebens —<lb/> unter Einem Herzen ſchlagend mit zweien — in<lb/> einer Gemeinſchaft, die vielleicht nie im Leben<lb/> mehr vorkommt — gleiche Nahrung, gleiche<lb/> Noͤthen, gleiche Freuden, gleiches Wachſen und<lb/> Welken — beim Teufel, wenn ein ſolcher Fall,<lb/> wo im eigentlichſten Sinn zwei Leiber Eine See¬<lb/> le ausmachen, wie ja der alte und erſte Ariſto¬<lb/> teliker, naͤhmlich Ariſtoteles ſelber, begehrt zur<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [199/0207]
geiſtige oder kanoniſche Verwandtſchaft, daͤcht'
ich, gaͤlte wohl hienieden, da ja unſer Herrgott
ſelber eine dergleichen mit uns Beſtien im Allge¬
meinen verſtattet und ſich unſern Vater nennen
laͤßt. — Iſt dieſe Verwandtſchaft nicht wahr?“
Walt ſchuͤttelte. „Was, fuhr der Floͤten¬
ſpieler fort, es waͤre nicht ſo, naͤmlich daß wir
uns geiſtig verbruͤderten? O Zwilling, wer iſt
verwandter, bedencke? Wenn Koͤrper Seelen
ruͤnden und Herzen gatten, ſo daͤcht' ich, ein
Paar Zwillinge — um neun Monate fruͤher ein¬
ander verſchwiſtert als alle andere Kinder — in
ihrer zweiſchlaͤferigen Bett'ſtelle des erſten Schla¬
fes ohne Traum — theilend alle und die fruͤhe¬
ſten und wichtigſten Schickſale ihres Lebens —
unter Einem Herzen ſchlagend mit zweien — in
einer Gemeinſchaft, die vielleicht nie im Leben
mehr vorkommt — gleiche Nahrung, gleiche
Noͤthen, gleiche Freuden, gleiches Wachſen und
Welken — beim Teufel, wenn ein ſolcher Fall,
wo im eigentlichſten Sinn zwei Leiber Eine See¬
le ausmachen, wie ja der alte und erſte Ariſto¬
teliker, naͤhmlich Ariſtoteles ſelber, begehrt zur
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