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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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an dich lesen darfst: so kan ich offen genug schrei¬
ben. Es hat mich ungemein und diese ganze Nacht
durch gekränkt, lieber Bruder -- wer weis, ob
wir uns noch so anreden bei dem Erbruche die¬
ses Blattes, der entweder im schlimmsten oder im
besten Falle geschieht, -- daß du von der Freund¬
schaft deines Bruders nicht so, wie er von deiner,
befriediget wirst, sondern schon eine neue suchst.
Daß ich deinetwegen im dummen Haslau blei¬
be, oder daß ich für Dich mit Würg-Engeln
und Scharf- und Höllenrichtern mich herum¬
schlagen würde -- daraus kann nicht viel gemacht
werden; aber daß ein Mensch, dem auf seinem
Reisewagen das Herz halb ausgefahren, gerädert,
ja abgeschnitten worden, doch für dich allein ei¬
nes mitbringt, das darf er anrechnen, zumal
in einem Tausche gegen deines, das zwar unbe¬
schreiblich rein und heis, aber auch sehr offen --
der Windrose aller Weltgegenden -- dasteht. Und
nun wirds gar einem Grafen aufgemacht, der
als Freund den Thron besteigt, indeß ich auf
dem Geschwister-Bänkgen oder Kinder-Stühl¬
gen size -- o Bruder, das durchbrennt mich.

an dich leſen darfſt: ſo kan ich offen genug ſchrei¬
ben. Es hat mich ungemein und dieſe ganze Nacht
durch gekraͤnkt, lieber Bruder — wer weis, ob
wir uns noch ſo anreden bei dem Erbruche die¬
ſes Blattes, der entweder im ſchlimmſten oder im
beſten Falle geſchieht, — daß du von der Freund¬
ſchaft deines Bruders nicht ſo, wie er von deiner,
befriediget wirſt, ſondern ſchon eine neue ſuchſt.
Daß ich deinetwegen im dummen Haslau blei¬
be, oder daß ich fuͤr Dich mit Wuͤrg-Engeln
und Scharf- und Hoͤllenrichtern mich herum¬
ſchlagen wuͤrde — daraus kann nicht viel gemacht
werden; aber daß ein Menſch, dem auf ſeinem
Reiſewagen das Herz halb ausgefahren, geraͤdert,
ja abgeſchnitten worden, doch fuͤr dich allein ei¬
nes mitbringt, das darf er anrechnen, zumal
in einem Tauſche gegen deines, das zwar unbe¬
ſchreiblich rein und heis, aber auch ſehr offen —
der Windroſe aller Weltgegenden — daſteht. Und
nun wirds gar einem Grafen aufgemacht, der
als Freund den Thron beſteigt, indeß ich auf
dem Geſchwiſter-Baͤnkgen oder Kinder-Stuͤhl¬
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[11/0019] an dich leſen darfſt: ſo kan ich offen genug ſchrei¬ ben. Es hat mich ungemein und dieſe ganze Nacht durch gekraͤnkt, lieber Bruder — wer weis, ob wir uns noch ſo anreden bei dem Erbruche die¬ ſes Blattes, der entweder im ſchlimmſten oder im beſten Falle geſchieht, — daß du von der Freund¬ ſchaft deines Bruders nicht ſo, wie er von deiner, befriediget wirſt, ſondern ſchon eine neue ſuchſt. Daß ich deinetwegen im dummen Haslau blei¬ be, oder daß ich fuͤr Dich mit Wuͤrg-Engeln und Scharf- und Hoͤllenrichtern mich herum¬ ſchlagen wuͤrde — daraus kann nicht viel gemacht werden; aber daß ein Menſch, dem auf ſeinem Reiſewagen das Herz halb ausgefahren, geraͤdert, ja abgeſchnitten worden, doch fuͤr dich allein ei¬ nes mitbringt, das darf er anrechnen, zumal in einem Tauſche gegen deines, das zwar unbe¬ ſchreiblich rein und heis, aber auch ſehr offen — der Windroſe aller Weltgegenden — daſteht. Und nun wirds gar einem Grafen aufgemacht, der als Freund den Thron beſteigt, indeß ich auf dem Geſchwiſter-Baͤnkgen oder Kinder-Stuͤhl¬ gen ſize — o Bruder, das durchbrennt mich.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/19>, abgerufen am 21.11.2024.