rungen der Flöte aus, da sie doch sehr der Har¬ monika gleicht?" fragte sie. Wer so gut sänge, sagte ich, als sie, würde am besten wissen, daß die Kunst sich vom persönlichen Antheil rein hal¬ ten lerne. Soviel hätt' ich sagen sollen, nur nicht mehr; aber ich kann das nie: "ein Virtuo¬ se, fügt' ich bei, muß im Stande sein, wäh¬ rend er aussen pfeift, innen Brezeln feil zu halten, ungleich den Brezel-Jungen, die beides von aussen thun. Rührung kann wohl aus Bewe¬ gungen entstehen, aber nicht Kunst, wie be¬ wegte Milch Butter giebt, aber nur stehende Käse."
Sie schwieg sehr betroffen als wäre sie Du -- nahm einige Dornenreiser weg, die mich Dor¬ nenstrauch stechen konnten -- und sie dauerte mich halb, zumal als ich sehr ihrem zu häufi¬ gen Augenlieder-Nicken zusah, das ihr lieblich lässet, ohne daß ich recht weiß warum.
Sie sagte, sie gehe, um mir aus dem Schlosse einen Führer zu hohlen, und gieng fort. Ich stand auf und sagte, es brauch' es nicht. Da sie mich forttappen sah, kehrte sie lieber um
rungen der Floͤte aus, da ſie doch ſehr der Har¬ monika gleicht?“ fragte ſie. Wer ſo gut ſaͤnge, ſagte ich, als ſie, wuͤrde am beſten wiſſen, daß die Kunſt ſich vom perſoͤnlichen Antheil rein hal¬ ten lerne. Soviel haͤtt' ich ſagen ſollen, nur nicht mehr; aber ich kann das nie: „ein Virtuo¬ ſe, fuͤgt' ich bei, muß im Stande ſein, waͤh¬ rend er auſſen pfeift, innen Brezeln feil zu halten, ungleich den Brezel-Jungen, die beides von auſſen thun. Ruͤhrung kann wohl aus Bewe¬ gungen entſtehen, aber nicht Kunſt, wie be¬ wegte Milch Butter giebt, aber nur ſtehende Kaͤſe.“
Sie ſchwieg ſehr betroffen als waͤre ſie Du — nahm einige Dornenreiſer weg, die mich Dor¬ nenſtrauch ſtechen konnten — und ſie dauerte mich halb, zumal als ich ſehr ihrem zu haͤufi¬ gen Augenlieder-Nicken zuſah, das ihr lieblich laͤſſet, ohne daß ich recht weiß warum.
Sie ſagte, ſie gehe, um mir aus dem Schloſſe einen Fuͤhrer zu hohlen, und gieng fort. Ich ſtand auf und ſagte, es brauch' es nicht. Da ſie mich forttappen ſah, kehrte ſie lieber um
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0182"n="174"/>
rungen der Floͤte aus, da ſie doch ſehr der Har¬<lb/>
monika gleicht?“ fragte ſie. Wer ſo gut ſaͤnge,<lb/>ſagte ich, als ſie, wuͤrde am beſten wiſſen, daß<lb/>
die Kunſt ſich vom perſoͤnlichen Antheil rein hal¬<lb/>
ten lerne. Soviel haͤtt' ich ſagen ſollen, nur<lb/>
nicht mehr; aber ich kann das nie: „ein Virtuo¬<lb/>ſe, fuͤgt' ich bei, muß im Stande ſein, waͤh¬<lb/>
rend er auſſen pfeift, innen Brezeln feil zu halten,<lb/>
ungleich den Brezel-Jungen, die beides von<lb/>
auſſen thun. Ruͤhrung kann wohl aus Bewe¬<lb/>
gungen entſtehen, aber nicht Kunſt, wie be¬<lb/>
wegte Milch Butter giebt, aber nur ſtehende<lb/>
Kaͤſe.“</p><lb/><p>Sie ſchwieg ſehr betroffen als waͤre ſie Du —<lb/>
nahm einige Dornenreiſer weg, die mich Dor¬<lb/>
nenſtrauch ſtechen konnten — und ſie dauerte<lb/>
mich halb, zumal als ich ſehr ihrem zu haͤufi¬<lb/>
gen Augenlieder-Nicken zuſah, das ihr lieblich<lb/>
laͤſſet, ohne daß ich recht weiß warum.</p><lb/><p>Sie ſagte, ſie gehe, um mir aus dem<lb/>
Schloſſe einen Fuͤhrer zu hohlen, und gieng fort.<lb/>
Ich ſtand auf und ſagte, es brauch' es nicht.<lb/>
Da ſie mich forttappen ſah, kehrte ſie lieber um<lb/></p></div></body></text></TEI>
[174/0182]
rungen der Floͤte aus, da ſie doch ſehr der Har¬
monika gleicht?“ fragte ſie. Wer ſo gut ſaͤnge,
ſagte ich, als ſie, wuͤrde am beſten wiſſen, daß
die Kunſt ſich vom perſoͤnlichen Antheil rein hal¬
ten lerne. Soviel haͤtt' ich ſagen ſollen, nur
nicht mehr; aber ich kann das nie: „ein Virtuo¬
ſe, fuͤgt' ich bei, muß im Stande ſein, waͤh¬
rend er auſſen pfeift, innen Brezeln feil zu halten,
ungleich den Brezel-Jungen, die beides von
auſſen thun. Ruͤhrung kann wohl aus Bewe¬
gungen entſtehen, aber nicht Kunſt, wie be¬
wegte Milch Butter giebt, aber nur ſtehende
Kaͤſe.“
Sie ſchwieg ſehr betroffen als waͤre ſie Du —
nahm einige Dornenreiſer weg, die mich Dor¬
nenſtrauch ſtechen konnten — und ſie dauerte
mich halb, zumal als ich ſehr ihrem zu haͤufi¬
gen Augenlieder-Nicken zuſah, das ihr lieblich
laͤſſet, ohne daß ich recht weiß warum.
Sie ſagte, ſie gehe, um mir aus dem
Schloſſe einen Fuͤhrer zu hohlen, und gieng fort.
Ich ſtand auf und ſagte, es brauch' es nicht.
Da ſie mich forttappen ſah, kehrte ſie lieber um
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/182>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.