aus allen Satiren, Träumen, untergehenden Sonnen wegjagte ins Ohr hinein, in dessen La¬ byrinth, wie im ägyptischen, Götter begraben liegen. Die Generals Tochter sang; sie hatte, wie vornehme Mädgen auf ihren Rittergütern pflegen, der Sonne und der Einsamkeit -- denn horchende Bauern sind nur stille Blumen und Vögel in einem Hain -- ein ganzes, leidendes Herz mit Tönen auseinander gethan. Sie wein¬ te sogar, aber sanft; und da sie sich allein glaub¬ te, troknete sie die Tropfen nicht ab. Sollte der edle Klothar, dacht' ich, seine Braut in dunkle Farben kleiden, weil sie eine taille fine geben? -- Das schwerlich!
Endlich sah sie mich, aber ohne zu erschre¬ cken, weil der blinde Konzertist, wofür sie mich noch halten muste, ja ihr nasses Auge und An¬ gesicht nicht kennen konnte. Sie, die Unwis¬ sende, sah sich nach meinem Führer um, indeß sie leise ihr Busenlied ertönen ließ. Bekümmert um den hülflosen Blinden, gieng sie langsam auf mich zu, begann ein fremdes frohes Lied, um sich mir unter Singen so zu nähern, daß
aus allen Satiren, Traͤumen, untergehenden Sonnen wegjagte ins Ohr hinein, in deſſen La¬ byrinth, wie im aͤgyptiſchen, Goͤtter begraben liegen. Die Generals Tochter ſang; ſie hatte, wie vornehme Maͤdgen auf ihren Ritterguͤtern pflegen, der Sonne und der Einſamkeit — denn horchende Bauern ſind nur ſtille Blumen und Voͤgel in einem Hain — ein ganzes, leidendes Herz mit Toͤnen auseinander gethan. Sie wein¬ te ſogar, aber ſanft; und da ſie ſich allein glaub¬ te, troknete ſie die Tropfen nicht ab. Sollte der edle Klothar, dacht' ich, ſeine Braut in dunkle Farben kleiden, weil ſie eine taille fine geben? — Das ſchwerlich!
Endlich ſah ſie mich, aber ohne zu erſchre¬ cken, weil der blinde Konzertiſt, wofuͤr ſie mich noch halten muſte, ja ihr naſſes Auge und An¬ geſicht nicht kennen konnte. Sie, die Unwiſ¬ ſende, ſah ſich nach meinem Fuͤhrer um, indeß ſie leiſe ihr Buſenlied ertoͤnen ließ. Bekuͤmmert um den huͤlfloſen Blinden, gieng ſie langſam auf mich zu, begann ein fremdes frohes Lied, um ſich mir unter Singen ſo zu naͤhern, daß
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0179"n="171"/>
aus allen Satiren, Traͤumen, untergehenden<lb/>
Sonnen wegjagte ins Ohr hinein, in deſſen La¬<lb/>
byrinth, wie im aͤgyptiſchen, Goͤtter begraben<lb/>
liegen. Die Generals Tochter ſang; ſie hatte,<lb/>
wie vornehme Maͤdgen auf ihren Ritterguͤtern<lb/>
pflegen, der Sonne und der Einſamkeit — denn<lb/>
horchende Bauern ſind nur ſtille Blumen und<lb/>
Voͤgel in einem Hain — ein ganzes, leidendes<lb/>
Herz mit Toͤnen auseinander gethan. Sie wein¬<lb/>
te ſogar, aber ſanft; und da ſie ſich allein glaub¬<lb/>
te, troknete ſie die Tropfen nicht ab. Sollte der<lb/>
edle Klothar, dacht' ich, ſeine Braut in dunkle<lb/>
Farben kleiden, weil ſie eine <hirendition="#aq">taille fine</hi> geben? —<lb/>
Das ſchwerlich!</p><lb/><p>Endlich ſah ſie mich, aber ohne zu erſchre¬<lb/>
cken, weil der blinde Konzertiſt, wofuͤr ſie mich<lb/>
noch halten muſte, ja ihr naſſes Auge und An¬<lb/>
geſicht nicht kennen konnte. Sie, <hirendition="#g">die Unwiſ¬<lb/>ſende</hi>, ſah ſich nach meinem Fuͤhrer um, indeß<lb/>ſie leiſe ihr Buſenlied ertoͤnen ließ. Bekuͤmmert<lb/>
um den huͤlfloſen Blinden, gieng ſie langſam<lb/>
auf mich zu, begann ein fremdes frohes Lied,<lb/>
um ſich mir unter Singen ſo zu naͤhern, daß<lb/></p></div></body></text></TEI>
[171/0179]
aus allen Satiren, Traͤumen, untergehenden
Sonnen wegjagte ins Ohr hinein, in deſſen La¬
byrinth, wie im aͤgyptiſchen, Goͤtter begraben
liegen. Die Generals Tochter ſang; ſie hatte,
wie vornehme Maͤdgen auf ihren Ritterguͤtern
pflegen, der Sonne und der Einſamkeit — denn
horchende Bauern ſind nur ſtille Blumen und
Voͤgel in einem Hain — ein ganzes, leidendes
Herz mit Toͤnen auseinander gethan. Sie wein¬
te ſogar, aber ſanft; und da ſie ſich allein glaub¬
te, troknete ſie die Tropfen nicht ab. Sollte der
edle Klothar, dacht' ich, ſeine Braut in dunkle
Farben kleiden, weil ſie eine taille fine geben? —
Das ſchwerlich!
Endlich ſah ſie mich, aber ohne zu erſchre¬
cken, weil der blinde Konzertiſt, wofuͤr ſie mich
noch halten muſte, ja ihr naſſes Auge und An¬
geſicht nicht kennen konnte. Sie, die Unwiſ¬
ſende, ſah ſich nach meinem Fuͤhrer um, indeß
ſie leiſe ihr Buſenlied ertoͤnen ließ. Bekuͤmmert
um den huͤlfloſen Blinden, gieng ſie langſam
auf mich zu, begann ein fremdes frohes Lied,
um ſich mir unter Singen ſo zu naͤhern, daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/179>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.